Nachfolgenden Text durften wir mit Genehmigung des Ritters Stuss vom Helffenstein aus der hohen Confluentia (profan Koblenz) abdrucken.

 

Was bist Du? Ein Schlaraffe? Was ist das denn?

Eine häufige Frage, wenn man die Frage nach der kleinen Perle am Revers beantwortet hat.

"Eine weltweite deutschsprachige Vereinigung von Männern, die sich der Pflege von Kultur, Humor und Freundschaft verschrieben haben" - die offizielle Version, die aber dem Außenstehenden soviel sagt wie dem Blinden die Information, dass der Schwan weiß sei.

Die Aussage meiner "Burgfrau", dass ich dort endlich meine Spielwiese gefunden habe, stimmt, lässt den Unkundigen aber immer noch im Dunklen tappen. Genauso wie der beschreibende Satz "Das ist so etwas wie Rollenspiel, Männerrunde, Gesangverein, Karnevalsclub, Literaturkreis, Debattierclub, Studentenverbindung, Loge, Künstlertreffen. Von Allem ein bisschen, aber doch nicht dasselbe."

Das Phänomen Schlaraffia lässt sich also nicht einfach beschreiben. Gleichgültig wie man diese Beschreibung aufbaut, ob historisch, inhaltlich, geografisch, kulturell, irgend ein Aspekt kommt dabei immer zu kurz.

Ich will deshalb mit meinen Eindrücken und Motivationen versuchen darzustellen, warum ich Schlaraffe geworden bin und was mir dort so viel Freude bereitet.

Ausstieg aus dem Alltag, der täglichen Tretmühle, der "Profanei".

Wir treffen uns in der Winterung einmal wöchentlich. Wenn wir uns dann vor unserem Symbol, dem Uhu, verneigt haben gelten vier striktest einzuhaltende Tabus:

  1. Kein Wort über Religion oder Weltanschauung
  2. Kein Wort über Politik
  3. Kein Wort über Geschäft und Beruf
  4. Keine Zoten oder Ferkeleien

Und den bürgerlichen Namen geben wir zuvor an der Garderobe ab. Aus dem Pilger und Prüfling Dr. Kienle wurde bei Aufnahme der "Knappe 193" und nach der Knappenprüfung "Junker Kall1, der Ruin des Junkermeisters". Seit dem Ritterschlag lautet mein Name für immer und allezeit "Ritter Stuss vom Helffenstein, das ach so früh entjunkerte Standgebläse".

"In jedem echten Manne steckt ein Kind, und das will spielen!"

Bei Schlaraffia ist dies ein Spiel mit Worten, Gedanken, Rollen, mit seit über 160 Jahren nahezu unveränderten Spielregeln: Die Persiflage des perfiden höfischen Lebens im 19. Jahrhundert. Verständlich, wenn man weiß, dass sich die ersten Schlaraffen wegen der Diskriminierung eines befreundeten Künstlers vom höfisch geprägten Kunstverein Prags abspalteten. Es mischen sich schalkhaft Kratzfüßigkeit mit pseudooppositionellem Gehabe, die gespielte Anerkennung der unfehlbaren "Erleuchtung" des gerade vorsitzenden Oberschlaraffen (der "Fungierende") mit dem gleichzeitigen Versuch, diese Erleuchtung ad absurdum zu führen, eine pseudomittelalterliche Sprache gemischt mit echten schlaraffischen Neologismen ("Schlaraffenlatein"): Das Stinkross (Auto), der Burgschreck (Schwiegermutter), das Kniewinsel (Cello),...

Und jeder noch so große Unsinn (aber auch der ernsteste Vortrag) wird mit einem "Ahnen", sprich Orden belohnt...

Und ernste Themen gibt es genug: Kunst, Philosophie, Literatur, Musik,...

"In arte voluptas: In der Kunst liegt das Vergnügen"

Kunst und Kultur bringt Jeder ein, ob professionell oder als Amateur, ob Musik, Gedichte, Zeichnungen, Gemälde, Texte - und Jeder erhält Wertschätzung und Anerkennung als Dank für seine "Fechsung" (so nennen wir Selbstgemachtes) oder seinen Vortrag (so nennen wir vorgetragene Fremdtexte). Für einen Jazzer wie mich ideale Generalprobenbühne gemeinsam mit anderen Musikern, mit denen ich sonst nicht zusammenspielen könnte. Hier darf der Posaunist auch mit Lust und Wonne Tuba spielen - Hauptsache, es macht ihm Spaß!

Die vor der "Winterung" bekanntgegebenen Themen der "Sippungen" sind so vielschichtig, dass sie jedes Mal zu einer persönlichen Bereicherung beitragen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal so ernsthaft mit Nikolaus Cusanus, Kurt Schwitters, Jean Paul, Clemens von Brentano und und und auseinandersetzen würde - aber auch mit der Geschichte der österreichischen Kriegsmarine... Ich habe bis dahin auch nicht geglaubt, dass ich wie alle Anderen an diesem Abend aus zehn vorgegeben Worten nur mit meiner Fantasie eine Geschichte schreiben könnte und mich dann an den Geschichten der anderen "Sassen" erfreuen kann, auch dass ich mich freiwillig mit den in der Schulzeit so verhassten Versformen beschäftigen würde, ...

"Schlaraffische Freundschaft ist universal!"

Hunderte Reyche auf allen Kontinenten mit tausenden Schlaraffen, die jedem anderen offen und freundschaftlich entgegentreten, die sich freuen, wenn sie Dich als Schlaraffen erkennen und Dir helfen, wo und wie sie nur können. Für mich ein Erlebnis, das ich so intensiv nicht erwartet hatte.

"Die Burg des hohen Reyches Confluentia gehört zu den schönsten des Uhuversums!"

Und das stimmt! Die ehemalige Pallottinerkapelle im profanen Koblenz-Ehrenbreitstein nur wenige Schritte von meiner Heimburg" und "Fronburg" entfernt steht zu recht unter Denkmalschutz und ist das ideale und ideelle Zentrum unseres Reyches. Die Atmosphäre und die Akustik dieses früheren Sakralbaus lassen -richtig eingesetzt- während der Sippungen in meiner Fantasie immer wieder Bilder von alten Rittersälen aufkommen - wenngleich diese sicher nicht so sauber und geruchsneutral waren.

Ritter Stuss vom Helffenstein, das ach so früh entjunkerte Standgebläse

(profan Dr. Karl Heinz Kienle, Facharzt für innere Medizin, Sportmedizin, Notfallmedizin, Palliativmedizin)