Beitrag von Ritter Vitruvius, Baruthia, für die "Chronik Allschlaraffia", herausgegeben zum 125jährigen Bestehen am 10. im Lethemond a.U. 125 (profan 1984), III.Band, S. 189 ff.
I. Über die Entwicklung des Schlaraffentums und seine Geschichte bis zur uhufinsteren Zeit
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war die Butzenscheibenromantik, das Biedermeier, die Postkutschenseligkeit Eichendorffs so gut wie abgeklungen. Die Zeit
der Romantik, die „gute, alte Zeit“, war vorbei. Ein realistisches Zeitalter, bedingt durch den technischen Fortschritt,
epochemachende Erfindungen und Neuerungen, war angebrochen. Dazu kam das Drängen und Kämpfen um die Freiheit der Persönlichkeit und des Geistes mit dem Ziel,
die einengenden, lästigen Fesseln des Staatsgetriebes zu sprengen. Doch die ältere Generation träumte gern den seligen Zeiten
von einst nach, die noch einmal Ehrenschlaraffe Gaudeamus (J. V. v. Scheffel)
heraufbeschwor. Und nicht nur die burschenfreudige und -selige Studentenschaft jubelte ihm zu.
Es entstanden die Ritterbünde und lebten auf im Sehnen nach mittelalterlicher Romantik. Auch andere Gesellschaften und Zirkel, insbesondere von
Künstlern und Wissenschaftlern, schlossen sich zusammen, um auf selbstgeschaffenen Oasen und Tuskulums fern vom lauten,
alltäglichen Getriebe ihr Eigenleben zu führen und sich ihm mit besonderem Brauchtum hinzugeben.
Die Schlaraffia, in manchem den letzteren ähnelnd, hatte zunächst einen völlig unromantischen Charakter. Der Proletarier-Club erstand spontan in der ersten
Hälfte des Jahres 1859 aus Verärgerung über und aus Protest gegen die Künstlervereinigung Arcadia in Prag. Es war nur ein Stammtisch von Künstlern und Kunstfreunden, die es sich
täglich bei Quell, Lied und Allotria – oft bis zum frühen Morgen wohl ergehen ließen. Das Interesse an solchem Treiben ließ bald
nach; mehr und mehr Mitglieder blieben weg, und so war es schon vor dem Herbst des Jahres um den Proletarier-Club geschehen. Der in Prag hochangesehene
Direktor des Landestheaters, Franz Thomè (Carl II.), der sich am Leben und Treiben des Proletarier-Clubs nicht
beteiligte, wollte der Arcadia etwas Besonderes gegenüberstellen. So kam es zum Aufruf des Opernsängers Eilers (Graf Gleichen) an die Künstlerschaft mit
dem Erfolg, daß am 10. 10. 1859 der Verein, dem man dann den Namen Schlaraffia gab, gegründet wurde.
Es waren die alten Mitglieder des Clubs, vermehrt durch eine Anzahl gleichgesinnter Freunde. Man versuchte, dem Verein einen inneren Gehalt zu geben, begann auch mit den Anfängen eines Brauchtums im Zeichen von Kunst, Humor und Freundschaft, blieb aber zunächst den alten Sitz- und Trinksitten noch treu. Die Zusammenkünfte wurden durch Vorträge bereichert; insbesondere blühte sogleich eine einzigartige Liederpoesey auf, die sich bis heute in altem Glanze erhalten hat. Unvergänglichen Ruhm erwarb sich dabei vornehmlich A. Eilers (Graf Gleichen) als Dichter, Komponist und Sänger.
Man behielt im übrigen die profanen Namen bei, zu denen sich auch Spitz- und Juxnamen gesellten, und gebrauchte die Anreden: "Sie" und "Meine Herren" Das vertrauliche Du wurde zwar gestattet, war
aber mit einem Ceremoniell verbunden.
Mittlerweile arbeitete der Schriftsteller Dr. Schmidt-Weißenfels (Graf Plato) die Verfassung aus (1861), die gelegentlich auch als "Urspiegel" bezeichnet wurde. Auch das Ceremoniale (Brauchtum)
wurde weiter ausgebaut.
Ende 1860, Anfang 1861 regte sich erstmals der Rittergedanke. Es ist nicht bekannt, von wannen er kam, doch nach allem ist zu vermuten, daß Eilers und Oberländer ihn propagierten, um einen neuen
Anreiz zu schaffen und die Sitzungen zu bereichern und zu beleben. Langsam (man ließ sich viel Zeit) führte sich ein „Rittertum“ ein, jedoch nicht im Sinne desjenigen der Ritterbünde.
Man betrachtete es mehr als Parodie, Persiflage und humorige Angelegereit. Die inzwischen eingebürgerten Schlaraffennamen wurden zu Ritternamen, soweit sich nicht Änderungen (wie bei Eilers, der
sich nicht mehr Albertus, sondern nun Graf Gleichen nannte) ergaben.
Es war ein absonderliches und merkwürdiges Ritterwerden. Statt des „Ritterschlages“ führte man die „Rittertaufe“ durch. Keine Kopfbedeckung, keine Ritterbaretts, keine Ritterschwerter, keine
Bandeliere! Statt der Anrede „Meine Herren!“ wurde das „Schlaraffen, hört!“ eingeführt. Nach und nach kam man zu Holzschwertern, die von den jungen Rittern gestiftet wurden. Als dann Hallenstein
(Graf Höllenstein) aus Frankfurt eine Schellenkappe mitbrachte, wurde beschlossen, diese als Kopfbedeckung der Ritterschaft einzuführen. Doch brauchte dies Zeit bis ins Jahr 1862. Am 2. des
Eismonds erschienen erstmalig sämtliche Ritter im Schmuck der mit Ohren und Schellen gezierten Kappe, dazu die Würdenträger mit ihren Insignien, „ein erhebender und erheiternder Anblick
zugleich“. Mittlerweile war Eilers (Graf Gleichen) beauftragt worden, ein Ceremoniale für den Ritterschlag auszuarbeiten.ach Genehmigung desselben trat bei der Ritter-Erkürung der Ritterschlag an
die Stelle der Biertaufe.
Das Ritterspielen blieb aber vorerst noch Nebensache bzw. belebendes Beiwerk. Vorherrschend waren die Pflege
der Ideale: Kunst, Freundschaft und Humor sowie der „Cultus der 3 guten Geister, Aha, Oho und Uhu“, wobei der Uhu in zweifacher Gestalt – als Humpen und als Vogel – verehrt wurde. Die Mitglieder
des Vereins hießen zuallererst „Reichsbürger“. Dieser Name ging dann auf die Eintretenden über, die man einem Bürgermeister unterstellte, der bei Einführung des Junkerstandes (die angehenden
Junker hießen Candidaten oder Cadetten) die Amtsbezeichnung Junkermeister erhielt. Wesentlich später erst fügte man zwischen den Reichsbürgern und den Junkern den Knappenstand ein. Die Vorstufe
Prüfling kannte man noch nicht. Aus den Reichsbürgern der Platoschen Verfassung wurden dann die Pilger, Pilgrims, Neophyten usw.. Das Innenleben im Reiche blühte auf. Es wurden Chöre und
Lieder gesungen, poetische Vorträge gehalten, und dazu kreiste fröhlich-feucht ein mächtiger Pokal, aus „dessen Fluthen man Labung und Vergessen aller profanen Lebenswirren“ trank. Die
Eitelkeiten und Lächerlichkeiten dieser Welt wurden durch einen feierlichen, närrischen „Cultus“ verspottet. Daher die Einführung eines höchst pomphaften „Ceremonials“, über dessen Auf-
rechterhaltung strenge gewacht wurde. Eine mittelalterliche Sprachweise bildete sich für die verschiedenen Bezeichnungen von Dingen und Handlungen aus: Gruß, Beifall und Zutrunksruf lauteten
anders als bei gewöhnlichen Menschenkindern, und dazu kam, ganz wie von selbst, ein komisch gravitätisch sich bewegendes, mit Schalksmütze stolzierendes Rittertum, ein sich spreizender Hofadel
und Reychsambtsdünkel, unfehlbarer Despotismus der Oberschlaraffen als der Erwählten des Reyches und demütig-ehr-
furchtsvoller Gehorsam seitens der übrigen Ritterschaft. Uhu wurde als mächtiger und kluger Wächter und als Bote der göttlichen Minerva zum Schutzpatron erkoren. (Später sprach man den Uhu der
Göttin Athene zu.)
Die Symbole und Gebräuche sind nicht nach einem einheitlichen Plan als ein Fertiges eingeführt worden. Sie wurden in den ersten
Jahren wie bunte Steinchen auf der Grundlage der Platoschen Verfassung allmählich zu einem Mosaik zusammengetragen, das in der
Hauptsache im Jahre 1861 fertig war.
Darüber, wie man diese Steinchen fand und sammelte, ist wenig gesagt. Manches davon ist einer augenblicklichen Laune, einem meist humorigen Ereignis oder auch einer ausgelassenen
Trinkfröhlichkeit zuzuschreiben. Manches wurde mit zunehmender Läuterung des schlaraffischen Wesens wieder fallengelassen, und manches, das zuerst Spaß und Ulk bedeutete, ist seines scherzhaften
Charakters entkleidet und „geheiligt“ in die ehernen Gesetze von
Spiegel und Ceremoniale eingebaut worden und bildet so für alle Zeiten mit das feste geistige Fundament Schlaraffias.
Das feuchtfröhliche Künstlervölklein der Urschlaraffen mit seinem urwüchsigen Humor bemühte sich mit allen Kräften und mit Erfolg, seine Schlaraffia auf eine höhere geistige Ebene emporzuheben und die geschaffenen Ideale in Kunst, Kultur und geistiger Ethik immer weiter auf- und auszubauen. Es schuf sich so sein Wunderland, das zum Wesenskern und Mittelpunkt allen schlaraffischen Lebens, Wesens und Strebens wurde.
Wie aber in der schönsten Landschaft Höhen und Täler abwechseln, so war es auch in Schlaraffias Wunderland, nur daß es hier keine lieblichen Täler waren. Es gab
ein fast ständiges Auf und Ab, ein Aufeinanderprallen der Geister bis zur Turbulenz; Opposition und Ehrsüchteleien waren an der Tagesordnung. Aber immer wieder gelang es überragenden,
vernünftigen Führern und einer straffen Regierung, die Wogen zu glätten und Ruhe und Frieden wiederherzustellen, bis in den Jahren 1863/64 allerschwerste Er-
schütterungen und Massenaustritte das Ende der Prager Schlaraffia herbeizuführen drohten.
Die spätere Chronica Drasals hat sich über diese Ereignisse ausgeschwiegen und ist über sie hinweggegangen. Man fragt sich: warum? Befürchtete man, daß durch
eine Wiedergabe derselben der Allmutter Praga eine Perle aus der stolzen Krone fallen würde? Die Katastrophe und ihre Ursachen wurden totgeschwiegen. Nichts konnte über die letzteren in
den Akten gefunden werden. Wir sind also nur auf Vermutungen angewiesen.
Ein Graf Gleichen war es, der mit ungebeugter Kraft und schier übermenschlichem Einsatz zusammen mit dem Häuflein der Treugebliebenen die große Gefahr bannte,
den wankenden Bau aufs neue fundierte und seine alte Größe und Herrlichkeit wiederherstellte. War es doch angesichts der erheblichen Gefahren von außen fürs Reych und die einzelnen
Mitglieder an sich schon eine große, ja gewaltige Tat, gegen die Politik anzustehen, dieselbe von der Burg fernzuhalten und sich nicht in den politischen Hexen-
kessel Prags mit hineinreißen zu lassen, sondern den Idealismus, während er draußen unterging, in ihren Mauern hochzuhalten! Wäre das nicht gelungen, so wäre
damals in Schlaraffia alles in Scherben gegangen, und wir würden uns heute nicht unseres großen, allschlaraffischen Freundschaftsbun des erfreuen können!
Doch die Schicksalsschläge sollten nicht enden. Im folgenden Jahre 1865 reißt die nationale Spannung das Theater in Prag auseinander. Das tschechische
Interims-Landestheater öffnete seine Pforten. Die Politik vertiefte die kulturelle Spaltung. In diesem Jahre 1865 endet die von Thomè (Carl II.) mit seiner Theatergruppe seit 1858
ausgeübte Tätigkeit am Ständetheater, das nun versandet. Damit war auch für die Mitglieder seines Ensembles keine Berufsmöglichkeit und kein Bleiben mehr. Die Praga und
mit ihr Schlaraffia erleiden erneut schwere, kaum überwindbare Schläge; müssen doch auch die führenden Geister und Würdenträger, die Besten
und Begeistertsten, die „Säulen des Bundes“, Prag und dazu ihre Schlaraffia verlassen. Ur- und Oberschlaraffe Box (Hofschauspieler Oberländer) verzog 1864 nach Berlin; die beiden Ur-
und Ehren-Oberschlaraffen Jagu (Ed Bachmann) und Graf Gleichen (A. Eilers) verließen 1865 Prag. Ersterer wanderte nach Leipzig, letzterer zog ins Thüringische nach Coburg und
wurde ehrenhalber zum „schlaraffischen Gesandten der Burg Co“, später "aller Reyche im Westen“ ernannt.
Dem Ur- und Erboberschlaraffen auf Lebenszeit, Theaterdirektor Thomè (Carl II.), dem "Vater der Schlaraffia", veranstaltete man im Lenzmond 1867 die
Abschiedsfeier; er ging als Theaterdirektor nach Linz. Es waren gerade die Männer, „die trotz mannigfacher Ungunst der Verhältnisse
das Schifflein mit fester Hand durch Klippen und Untiefen führten, vor dem frühzeitigen Scheitern bewahrten, trotz Sturm und Wogenprall die Fahne Schlaraffias
hochhielten . . .“ (Ur- und Erboberschlaraffe Graf Plato, Dr.
Schmidt-Weißenfels, der geistige Führer, hatte bereits 1861 Prag verlassen müssen und war nach Berlin übergesiedelt.).
Obwohl nun sieben Altritter und Urschlaraffen, die weggeblieben waren, wieder aufgenommen wurden und wohl 20 Neuaufnahmen erfolgten, war dies „kein
bleibender Gewinn". „Neue Ziele wurden erstrebt, die dem Grundgedanken Schlaraffias fern lagen, und hier machte sich der
verderbliche Einfluß eines Ritters bemerkbar, der vermöge seiner glänzenden Gaben berufen gewesen wäre, eine bedeutende Rolle zu spielen. Dieser erwarb sich durch
Einführung der Faschings-Narrenabende ein mächtiges Übergewicht, so daß er sogar zum Oberschlaraffen gewählt wurde. Aber Humor
und Laune lassen sich nicht durch Zwang herbeiführen, und manches gesellige Unternehmen scheiterte an dem Eigenwillen dieses Oberschlaraffen Banko, der mehr als
einmal die Schlaraffia, ohne es zu wollen, an den Rand des Abgrunds führte, in den sie gestürzt wäre, wenn nicht Höllenstein,
Ulalla, Dunkelmann, van Dyk, Lehmann, Barbarossa und später, nach seinem Wiedereintritt, Raps (d. Große) die gefahrdrohenden Wolken zu zerstreuen verstanden hätten.
Schlaraffia hatte ihre Kräfte zersplittert und war drauf unddran, einem Phantom nachzujagen, das außerhalb ihrer
Grundprinzipien
lag und Schlaraffia in die Irre geführt hätte.“
Da aber erstand in größter Not nach dem Abgange des Grafen Gleichen und im verderblichen Regime Bankos dem Reyche ein überragender Führer in dem
Urschlaraffen Graf Höllenstein. Seiner Organisationskraft, seinem Weitblick, seinen geistigen Fähigkeiten, seiner Konzilianz und
dem bedeutenden Ansehen, das er als Künstler und Mensch genoß, ist es zu danken,
daß Schlaraffia vom Irrwahn geheilt wurde und aufs neue aufblühte. Mit Fug und Recht muß deshalb Graf Höllenstein, später der große Oberschlaraffe der Vindobona,
als „Erneuerer des Reyches“ gefeiert werden. So leuchtet aus dieser Erstperiode heute noch in hellstem Glanze
das Dreigestirn Graf Gleichen: der „Gründer“, Graf
Höllenstein: der „Erneuerer und - über beiden thronend- der Vater und Patriarch des Reyches", Carl II. am schlaraffischen Himmel! Mitten noch in dieser letzten Auseinandersetzung im Reyche zu Prag trat für den großen Gedanken des Schlaraffentums im Jahre 1865 ein freudiges Ereignis
ein, das bestimmend wurde für die ganze Weiterentwicklung Schlaraffias.
Ein neuer, ungeahnter Frühling brach an. Der Ur- und Erboberschlaraffe Graf Plato hatte zusammen mit Adonis I. (Hofschauspieler Paul Dehnicke) in Berlin ein Reych gegründet, das er ebenfalls
Schlaraffia benannte, obwohl es in Form und Brauchtum gänzlich abwich von dem im Reyche zu Prag. Die Berolina sippte völlig unabhängig vom Reyche Prag, übernahm wohl den Uhu als Schutzpatron,
führte aber die spitzkegeligen, tütenförmigen „Braminenhelme“, die „Krone“ und den „Zopf“ ein. Plato wird nun Kalchas genannt und fungiert als „Patriarch“. Adonis wird Oberschlaraffe; darauf wird
er zum Mikado und Kalchas (Plato) zum Taikun gewählt.
Wie tiefgründig übrigens die Platosche Weisheit gewesen, offenbart sich in der Widmung seines der Berolina 1866 gestifteten neuen Protokollbuches: „Die Narrheit des menschlichen Lebens ist eine
so ernsthafte, daß in ihren heiteren Auslassungen sie zu erfassen, das ernsthafte Bemühen derjenigen sein muß, die sich über diese Narrheit nicht zum Narren machen lassen wollen.“ Zum besseren
Verständnis sei gesagt: Taikun (japanisch) = hoher Herr, Mikado = japanischer Kaisertitel und Kalchas (griechisch) = Oberpriester, Seher und Dichter.
Plato zog damit absichtlich die Berolina nicht als Ritterschaft auf, ebensowenig übernahm er das Ceremoniell der Praga, obwohl er es gekonnt hätte. Irgendwie schien er also mit der Entwicklung in
der Praga und deren System mit der Verwässerung der von ihm geschaffenen Prager Verfassung nicht einverstanden gewesen zu sein. Interessant hierüber sind die - in anderem Zusammenhange -
gemachten Ausführungen des Rt Baldrian, Grazia (Universitäts-Professor i. R. Dr. phil. Balduin Saria, München):
„Plato schien das Rittertum noch als so unwesentliches Beiwerk der Schlaraffia, daß er für die von ihm 1865 gegründete Berolina darauf verzichtete und nach einem eigenen ,japanischen' Ceremoniale
mit einem Mikado und Taikun als Herrlichkeiten sippte. Gewiß, auch die Flucht aus der Wirklichkeit in die räumliche Ferne wäre ein romantischer Zug, aber man darf nicht vergessen, daß um
diese Zeit, Mitte der sechziger Jahre, gerade Japan ein sehr aktuelles Thema war. Es gab damals mehrfach ein Eingreifen der europäischen Mächte und der Vereinigten Staaten in Japan. Es war also
durchaus nichts Romantisches an diesem japanischen Ceremoniale der Berolina, das übrigens auch die Grazia als Tochter der Berolina (und von der Grazia deren Töchter Hammonia I und Groß-Kanizsa)
übernahmen.
Auch die alten Lamifu-, Bakilu-, Pusada- und Valmikiorden Grazias und z. T. auch der Berolina erinnern heute noch daran.“
Plato hatte sogleich der Praga von der Gründung der Berolina und von deren Beschluß, sich als Tochter der Praga zu bekennen, Mitteilung gemacht, was von der letzteren mit Jubel und Freude aufgenommen und mit herzlichstem Danke quittiert wurde. Aber:
„Es waren zwei Königskinder,
die hatten einander so lieb;
sie konnten zusammen nicht kommen,
...!"
Die politischen Umstände und Spannungen zu dieser Zeit zwischen Österreich und Preußen sowie der Krieg 1866 ließen eine Annäherung und eine engere Verbindung zwischen den beiden Reychen zu Prag
und Berlin nicht zustande kommen. Es mußte also zunächst bei dem Beschluß der Berolina, „sich als Tochter der großen Mutter Schlaraffia Praga zu betrachten, die profanen Namen abzulegen und
sofort den Taufakt vorzunehmen, sonst aber unabhängig vom Reyche Praga unter der Regierung eines Mikado und
Taikun zu sippen“, sein Bewenden haben.
Erst nach dem
Krieg, im Jahre 1867, kam urkundlich die eigentliche Vereinigung zustande, als Praga im Wonnemond dieses Jahres die Berolina
als Tochter anerkannte, und Graf Plato, alias Kalchas, nach Prag durch Sendboten vom 25. d. Monats über die besondere, mit
großem Ceremoniell erfolgte Feier zur Verherrlichung dieser Tatsache berichtete. Aber es sollte
noch acht Jahre dauern, bis man wirklich zusammenkam und zusammenfand!
In der Praga arbeitete man in diesen Jahren sehr fleißig. Im Jahre 1867 bringt man den sogenannten 1. Spiegel mit Verfassung und den Grund- und Hausgesetzen heraus und im Jahre 1868 das
sogenannte 1. Ceremoniell, beides sehr ausführliche und umfangreiche Dokumente.
Und obwohl es in dieser Zeit durch verschiedene Ereignisse, auch von außen her, nicht immer schiedlich-friedlich zuging, bewies das 10. Stiftungsfest 1869, daß Schlaraffia fest im Sattel saß dank
der Oberschlaraffen Höllenstein, Lehmann und Raps.
Der Chronist erzählt: „Mächtig schwollen die Herzen aller, als man einen Rückblick auf das bisher Geschaffene warf, und freudiger hob sich die Männerbrust. Wie Siegesgesang erschollen unsere
wunderbaren Lieder durch die prächtigen Hallen, und wahrlich, an diesem Tage wurden dieselben zu Triumphgesängen. Durch rastlose, aufopfernde Tätigkeit aller Beteiligten war der Kampf gegen Neid
und profanes Philistertum siegreich beendet, und Schlaraffia hatte den Platz, nach wiederholten heißen Kämpfen, auf der gesellschaftlichen Stufenleiter behauptet, der ihr durch Uhus
Gnaden zukam.“
Die Praga stand mit allen heimischen Vereinen in freundschaftlichem Verkehr, besuchte deren Festlichkeiten in corpore oder durch Deputationen und hielt die Freundschaft mit dem deutschen Männergesangverein, dem deutschen Turnverein etc. (bis über die Jahrhundertwende hinaus).
Der Krieg 1870/71 beeinflußte die Praga weniger als die Berolina, die eine kurze Stagnation durchzumachen hatte. Mit Beginn
des Jahres 1871 vollzog sich die „große Tat“ der Prager Sassen, die Weltenuhr um 300 Jahre zurückzudrehen, ohne aber
damit die Welt selbst aus den Angeln zu heben. Es geschah anscheinend in aller Stille und ohne alles Tamtam. Nicht einmal ein Drasal weiß etwas davon. Nur der Kalender der „Chronologia“ verzeichnet plötzlich das Jahr
1571 (statt 1871)! Dieses Jahr brachte leider der Praga einen außerordentlich schweren Verlust und tiefe Trauer. Graf Höllenstein folgte einem Rufe des Wiener Hoftheaters und zog von Prag in die Donaustadt.
Sein Kantzler U. v. Hutten sagt von ihm: „Ein echt ritterliches Wesen, ein nie versagender, drastischer Humor, eine
überraschende Schlagfertigkeit, ein sicheres Erfassen des richtigen Ausweges bei bedenklichen Vorkommnissen, verbunden
mit glühender Liebe und Hingebung für das Wohl des Reyches!
Außer dem tätigsten Anteil, den er als Redner und rezitierender Künstler an dem Unterhaltungsprogramm nahm, sehen wir ihn
auch als uhubegnadeten Poeten tätig, und manch herrliche Blüte seiner poetischen Schaffenskraft bewahrt das Prager
Archiv als Reliquie.“
Im folgenden Jahre 1572 verließ auch Carl II. (Thomè) seinė Praga, um den Ritt gen Ahall anzutreten. Seiner ist in der
Chronica ehrend gedacht. Bis zuletzt bei schwerer Bresthaftigkeit nahm er doch regsten Anteil an den Ereignissen im Reyche und ließ sich die Dokumente und Sendboten zur Unterzeichnung vorlegen, treu bis zum letzten
Atemzuge!
Ein wahres Glück im Unglück für die Praga war es, daß ihr in dem Oberschlaraffen Raps (Edmund Eichler) ein vollwertiger Ersatz
zur Verfügung stand, der - mit hervorragenden Gaben des Geistes und des Herzens ausgestattet – mit ungewöhnlicher
Tatkraft die Regierungsgewalt übernahm und die Praga und Schlaraffia zu ungeahnter Höhe und Größe führen sollte. In Ulrich von Hutten hatte er einen Kantzler zur Seite von außerordentlicher Klugheit und Gewandtheit und voll heller Begeisterung,
unermüdlich im Planen und Schaffen, auch forschungstüchtig und poesiebegabt.
Ein epochemachendes Ereignis dieses Jahres war die Gründung eines Schlaraffenreyches in Leipzig, dann Lipsia benannt,
durch den Urschlaraffen Huppel-di-Hax, Praga (Ballettmeister Reissinger) und Kurella, Berolina (Oberspielleiter
Oswald Hancke). Die Lipsia kam dadurch zu der Ehre, zwei Mütter ihr eigen nennen zu dürfen: die Praga und die Berolina.
Kurella wurde als Oberschlaraffe die überragende Persönlichkeit (Huppel-di-Hax übersiedelte nach Moskau), und so kam es, daß in der Lipsia das Gedankengut eines Plato der Berolina überwog. Da die Lipsia schon bei der Gründung eine Anzahl bedeutender Persönlichkeiten als Gründer und Mitglieder besaß, entwickelte sich rasch ein reges geistiges Leben mit Sinn für Dicht-, Tonkunst und Wissenschaft voller Eigenart und voll großem Selbstbewußtsein.
Im Jahre 1573 erfolgte die Gründung der Grazia in der Landeshauptstadt der grünen Steiermark durch die Berolina. Selbst noch an den Schmerzen ihrer schweren Geburt leidend, wurde die Grazia
schon 1574 Mutter sowohl der I. Hammonia als auch des Reyches Groß-Kanizsa auf der Veste Türk heim im Ungarland. Die erstere der beiden hatte kein langes Leben und die letztere, wie ein
herrlicher Komet emporgestiegen, verblaßte bald und verscholl nach einer Reihe von Jahren.
Die Lipsia errichtete sich in diesem Jahr ein unvergängliches Denkmal mit der Herausgabe der „Schlaraffia-Zeitungen“ durch den bewunderswerten Grafen Klex (Robert Zangenberg). Wie wenig wüßte
heute die schlaraffische Welt von Schlaraffia ohne diese Zeyttungen!
Mit den bedeutsamen Jahren 1575 und 1576 beginnt für das Schlaraffentum eine ganz neue Zeit! Die Urgeschichte Schlaraffias war abgeschlossen. Das isolierte Nebeneinander der
Schlaraffenreyche sollte aufhören. Das Sehnen nach einem Miteinander, nach dem innigen Zusammenschluß, dem heißen Wunschtraum Raps des Großen, ging in Erfüllung. 1575 brachte das Vorconcil zu
Berolina, 1576 kam das I. Concil zu Lipsia, die damit zur Geburtsstätte „Allschlaraffias“ wurde.
In der folgenden Zeit beginnt eine stürmische Aufwärtsentwicklung, besonders in den 1580er Jahren. Neue Reyche schossen wie Pilze aus der Erde. Sie hier aufzuführen, ginge über den Rahmen einer
Kurzgeschichte weit hinaus. Im allgemeinen ist dazu zu sagen: Genaue Bestimmungen über die Gründung von Reychen bestanden zuerst noch nicht. In der Hauptsache waren Künstler der Altreyche die
Gründer. Die Bühnenkünstler hatten ja in der damaligen Zeit noch keine feste Bleibe und mußten fast von Saison zu
Saison ihr Domizil wechseln. Die von Schlaraffia Begeisterten suchten und sammelten dann in ihren neuen Wohnsitzen einen Kreis von Gleichgesinnten um sich und gründeten - z. T. schon als Junker -
illegal, d. h. ohne zuvor eine Genehmigung einzuholen, Schlaraffenreyche und stellten so Allschlaraffia vor vollendete Tatsachen. Zum Teil erst viel später erhielt die Allmutter Kunde und
Nachricht davon. Das führte außer zu Verschiedenheiten der Gründungsdaten der Reyche auch zu einem Durcheinander und zu erheblichen Differenzen mit einzelnen Reychen und deren Gründern. Ging
es letzteren doch vielfach darum, selbst als „Herrlichkeit“ zu glänzen, unbekümmert darum, ob die entsprechende und sorgfältige Auswahl der Mitglieder getroffen und die Gewähr für den Bestand der
betreffenden Reyche gegeben war. (Wann und wir übrigens das so schmeichelhafte Attribut "Herrlichkeit" entstanden ist, läßt sich nicht feststellen.)
„Dem Willen der Staatsmacht sich beugend,
löst heute Schlaraffia sich auf –
freiwillig klingt nicht überzeugend,
doch nehmen dies Wort wir in Kauf!“
Heute besehen, ist klar, daß die sofortige Auflösung der reychsdeutschen Schlaraffenreyche im Jahre 1933/34 die richtige Lösung gewesen wäre. Es war ein
verhängnisvoller Irrtum, den Zusagen des Staates Vertrauen zu schenken. Den meisten Reychen hat man zu allem noch das ganze Besitztum mit Archiven usw.
konfisziert.
Nach der Selbstauflösung blieb den deutschen Schlaraffen nur das Zusammenkommen an Stammtischen, die oft von Gestapospitzeln überwacht wurden.
Im übrigen Uhuversum nahmen die Sippungen ihren ungestörten Fortgang. Es wurden Neugründungen vorgenommen und zwei allschlaraffische Concile, 1933 in Maria-Aquensis (Marienbad) und 1938 in Posonium (Preßburg), abgehalten.
In Maria-Aquensis wurde die Schaffung „fahrender Sassen Allschlaraffias“
beschlossen und der Allmutterrat um vier Nuntien erweitert. Posonium brachte die Schaffung eines 16gliedrigen Allschlaraffenrates,
die Verringerung der Schiedsrichter von neun auf fünf, die Abschaffung des Matrikularbeitrages, die Beibehaltung der „Fahrenden Sassen“, doch nun mit der Bezeichnung
„Reychsunmittelbare Recken“ (d. s. Sassen, die Schlaraffia treu blieben, aber im Reyche aus rassischen etc. Gründen nicht mehr
bleiben konnten oder wollten). Auch notwendig gewordene kleine Spiegeländerungen mußten vorgenommen werden, wodurch der sogenannte Posonium-spiegel entstand, zu dem man
sich auch in Deutschland bei Wiedererstehung der Reyche bekannte.
Aber auch für die Reyche im Osten begann nun die Notzeit, denn die Nazis
verboten bei ihrem Eindringen und bei Besetzung von Ländern sofort die dort bestehenden schlaraffischen Vereine. In Österreich,
im Sudetenland und in der Tschechei. Damit fiel auch Allmutter Praga dem nationalsozialistischen Terror zum Opfer. Man hatte dies schon erwartet, aber der Schlag kam
dann doch so plötzlich, daß es nur Hals über Kopf möglich war, einen kleinen Teil des Praga-Archivs nach Bern zu retten. Es
hatten deswegen schon vorher Besprechungen eines Prager Schlaraffen mit Schweizer Sassen stattgefunden, und hauptsächlich ist es mit das Verdienst des ErbK
Parafratello der hohen Berna, der durch seine Beziehungen die Rettung des Archivschatzes ermöglichen konnte. Ansonsten fiel
alles, dessen man habhaft wurde, wie schon zuvor in Deutschland, in die Hände der Gestapo.
Nach dem für Deutschland und seine Verbündeten katastrophalen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde es den ehemaligen Schlaraffen-Reychen wieder möglich, ihre Burgen (soweit sie noch vorhanden waren) zu beziehen und wieder zu sippen. Aber im ehemaligen deutschen Osten, von Ostpreußen bis zum Eisernen Vorhang, bleibt es uhufinster, wenn auch kein direktes Verbot der Schlaraffia besteht. Auch in allen Satellitenstaaten der Sowjets sowie in Jugoslawien wurde die Wiedererrichtung der Schlaraffen-Reyche nicht gestattet. Im ehemaligen Deutschen Reiche wurde es nur in der Bundesrepublik und in den Westsektoren Berlins möglich, die Wiederherstellung der schlaraffischen Vereinigungen durchzuführen.
Wie aber sah es sonst im Uhuversum aus? Ein großes, gar nicht hoch genug einzuschätzendes Glück war es, daß die helvetischen Reyche von all diesen trüben Ereignissen unberührt blieben und ungestört weitersippen konnten. Das gleiche war bei
den nordamerikanischen Reychen der Fall, während die südamerikanischen Reyche, soweit sie sich dem „Bunde Deutsche Schlaraffia“ angeschlossen hatten, ihre Burgen schlossen.
Am XIII. Concil zu Posonium vom 26. bis 28. Wonnemond a. U. 79 waren 66 Reyche vertreten. Das wichtigste Thema des Concils war die Sicherstellung des Weiterbestandes Allschlaraffias auch für den
Fall, daß die Leitung vom Sitze der Allmutter aus unmöglich würde. Ein
Beschluß wurde aber nicht gefaßt. Schon damals dachte man daran, „Landesverbände“ zu bilden; dieser Gedanke wurde jedoch mit der Begründung abgelehnt, daß dadurch „nationale Interessen“ in
den Vordergrund gestellt würden.
Es wurde empfohlen, an Stelle der Allmutter einen 16gliedrigen Allschlaraffenrat zu setzen, falls die Allmutter ihres Amtes nicht mehr walten konnte. Das Concil, das kein praktisches Ergebnis
erreichte, hatte zahlreiche inoffizielle Fühlungsnahmen zur Folge. Man diskutierte eine allfällige Verlegung der Allmutter unter Umständen sogar nach Amerika, falls dies durch profane
politische Ereignisse notwendig werden sollte. Eb.-Hkt. Rhenanus (Berna) empfahl, sich mit einem helvetischen Landesverband vertraut zu
machen. Am 1. Lethemond a. U. 79 wurde der „Landesverband Schlaraffia Helvetica“ als schweizerischer Bund gegründet. Dieser bezeichnete sich als Treuhänderin des schlaraffischen Gedankens und
wollte ihn wie ein heiliges Feuer hüten.
Im Windmond des Jahres meldete die Praga, daß sie wohl noch weiter bestehe, aber die Schriftführung nach außen einstellen müsse. Ihr Thron müsse zum Teil neu besetzt werden. Damit war die
Allmutter ausgeschieden. Für die Schlaraffia Helvetica war sie aber zum Symbol geworden.
Am 11. Hornung a. U. 80 erschien Rt Sostopsil aus der Praga zu einer Besprechung in der Gallia Helvetica. Er gab bekannt, daß die Verhältnisse in Prag verzweifelt seien, daß man sich kein klares Bild über die Entwicklung machen könne. Man hoffe
wohl, daß man einen Zusammenbruch vermeiden könne. Ein wesentlicher Teil der Schlaraffen-Reyche sei abgefallen. Man vermute, daß dort, wo der Nationalsozialismus herrsche, die Schlaraffia
irgendwie staatlich organisiert werde. Die Schlaraffia Helvetica gab sich nun ihre eigene Organisation. Sie wählte einen helvetischen Allschlaraffenrat. Jedes Reych hatte in der
Rangordnung seines Alters während drei Jahre als Vorort zu amtieren.
Im Lenzmond a. U. 80 besetzten die Deutschen die Tschechoslowakei. Die Praga galt nun endgültig als erloschen und verloren. Direkte Nachrichten trafen nicht mehr ein. Mit Ausnahme der
schweizerischen und amerikanischen Reyche lösten sich die übrigen Reyche in rascher Folge auf. Am 12. Eismond a. U. 81 konnte auf die Initiative von Sostopsil dank der Vermițtlung von
Parafratello und der Mitwirkung von Schweizer und Prager Persönlichkeiten das Praga-Archiv (leider nur ein kleiner Teil!) nach der Berna
gerettet werden. Die Schlaraffia Helvetica hatte sich in den Kriegsjahren bewährt . . . Nach Kriegsende wurde das „Schlaraffische Hilfswerk“ ins Leben gerufen, wobei sich vor allem die Turicensis
in hervorragender Weise einsetzte, Not und Elend zu lindern.
Besonders zu erwähnen und hervorzuheben ist das treue Durch- und Festhalten an Schlaraffia und Allschlaraffia seitens der amerikanischen Reyche während der uhufinsteren Zeit trotz der
riesigen Entfernungen der einzelnen Reyche voneinander. Wie in Helvetica gründete man einen Allschlaraffenrat und schloß die Reyche zum „Landesverband Schlaraffia Amerika“
zusammen.
Hilfreich nahm man sich der geflüchteten und ins Exil gegangenen Schlaraffen an und schuf, wie schon so oft, Wohlfahrtseinrichtungen und nach dem Kriege das "Schlaraffische Hilfswerk" zur
Unterstützung notleidender Schlaraffen.
Ganz besondere Verdienste erwarben sich durch ihre Führereigenschaften, durch ihre Tatkraft und ihren Weitblick die beiden ErbO Tilli und Tex.
Damit sei die Kurzgeschichte des Schlaraffentums abgeschlossen.
100 Jahrungen – Stichworte - Erinnerungen - Lücken und Irrtümer - aber Geschichte, aus der Erfahrung werden konnte.
II. Das schlaraffische Geschehen nach dem II. Weltkrieg bis zur Wiedererstehung Allschlaraffias
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde für den Uhubund in den Ländern, wo er dem Terror erlegen war, die Bahn wieder frei. Freilich stieß man regional sofort auf ein schweres
Hindernis. In allen östlichen Satellitenstaaten wurde die Wiedererrichtung der Schlaraffenreyche nicht gestattet. Man behandelte, wie in der Deutschen Demokratischen Republik, die Schlaraffen so
wie die Freimaurer, deren Logen man als Exponenten der Bourgeoisie unterdrückte. Im ehemaligen Deutschen Reiche war es deshalb
nur in der Bundesrepublik und in den Westsektoren von Berlin möglich, die Wiedererstehung der schlaraffischen Reyche zu organisieren. Hinzu trat eine weitere Schwierigkeit: Nach dem Untergang der
Allmutter Praga war die Allschlaraffia ihrer Zentrale beraubt, daher war es nur möglich, Landesverbände zu bilden, die das Ziel, wieder eine einheitliche Schlaraffia des Uhu-
versums zu schaffen, stets im Auge behalten haben. Hierbei mußte selbstverständlich Rücksicht auf die Gesetze der einzelnen Länder genommen werden. So gestattet zum Beispiel die Gestzgebung
der USA nicht die Unterordnung von Vereinen oder Verbänden unter ausländische Organe.
Im Landesverband Deutschland war der Wiederaufbau in den drei westlichen Zonen und in den Westsektoren von Berlin einigermaßen schwierig. Es mußten die Gesetze und Verordnungen der
Besatzungsmächte beachtet werden. Nach und nach gelang es, die alten Reyche wieder ins Leben zu rufen, und manche schöne Neugründung ist in bislang uhufinsteren Orten gelungen.
So kam es, dass im Mai 1947 = a. U. 88 zu einer Tagung in Karlsruhe, in der ein „Geschäftsführender Ausschuß der deutschen Schlaraffenreyche“ geschaffen wurde. Diesem Ausschuß gehörten elf
neuerstandene schlaraffische Reyche an.
Der Vorsitz wurde dem früheren Praga-Oberschlaraffen Goschelbauer der Nasenweise (Dozent Dr. Josef Bumba, Landshut) übertragen. Hierdurch wurde eine gewisse Kontinuität zwischen einst und
jetzt hergestellt. In Goschelbauer, der ständig wiedergewählt worden ist, hatte der Landesverband Deutschland die richtige Persönlichkeit an seine Spitze gestellt.
Schon in Karlsruhe, bei der ersten Tagung, kam es zu einer Willenskundgebung zum Zusammenschluß aller Schlaraffenverbände des Uhuversums. Ein Jahr später fand die 2. Karlsruher Maiențagung statt.
Man erließ eine Geschäftsordnung für den "Geschäftsführenden Ausschuß der deutschen Schlaraffenreyche“ und behandelte ferner das Problem der Flüchtlingsreyche sowie die Schaffung eines
Landesverbandes.
Während bei der 1. Karlsruher Maientagung den Vorsitz Goschelbauer, Eckart und Aufrecht führten, stand die 2. Maientagung unter der Leitung von Goschelbauer, Störtebeker (Hammonia) und Fest (Monachia). Auf der 3. Karlsruher Maientagung a. U. 90, die auf der Wachenburg bei Weinheim a. d. Bergstraße stattgefunden hat, war das wichtigste Ereignis die Schaffung eines Landesverbandes. Zugrunde gelegt wurde der im Jahre 1938 in Posonium auf dem XIII. Concil geschaffene Spiegel, mit den durch die Zeitverhältnisse bedingten Ausnahmen. Dieser Posonium-Spiegel wurde auf der Wachenburg einstimmig angenommen.
Man schuf wieder ein schlaraffisches Schiedsgericht und erließ Sondervorschriften über die Wahrung des Schlaraffentums, die infolge der Ereignisse, die sich seit 1933 in Deutschland abgespielt
hatten, erforderlich geworden waren.
Nunmehr war die Bahn frei zur Abhaltung von Deutschen Schlaraffentagen, deren erster in Mainz im Jahre 1950 getagt hat. Dort wurde ein „Landesverband Schlaraffia in Deutschland e. V.“ gegründet.
Drei Jahre später trat in München der II. Deutsche Schlaraffentag zusammen; auf ihm wurde, im Einvernehmen mit den anderen Landesverbänden, der Schaffung einer „Allschlaraffischen
Beratungsstelle“ zugestimmt und beschlossen, einen Pflichtbeitrag für den Concils- und Hilfsfond zu erheben. Ein III. Deutscher
Schlaraffentag hat Ende Juni 1956 in Hamburg stattgefunden. Während auf der Wachenburg ein „Schlaraffenrat der Schlaraffenreyche in Deutschland“ geschaffen wurde, erfolgte in München die
Umbenennung in „Deutscher Schlaraffenrat“.
Wenn nun ein Vergleich gezogen werden soll zwischen den deutschen Schlaraffen-Reychen, wie sie bis 1933 bestanden haben und den heutigen deutschen Schlaraffen-Reychen, so muß dieser zugunsten der
letztgenannten ausfallen. Nach den Terror-Jahren ist man, wie jeder beobachten konnte, allseitig bestrebt, die Ziele des Uhubundes vertieft und ideal zu verwirklichen. In vielen deutschen Reychen
herrscht ein sehr reges geistiges Leben. Unter sich stehen die deutschen schlaraffischen Vereine in einem regen Verkehr im Gedankenaustausch. Reychsfehden zwischen einzelnen Reychen, die den
Charakter des Scherzhaften niemals verlieren, kombinierte Sippungen benachbarter schlaraffischer Reyche stärken das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Sommerfahrten mit Burgfrauen tragen zur
Belebung der schlaraffischen Ideale bei, und in den Sippungen sorgt fast in allen Reychen eine gut geleitete Opposition dafür, daß Langeweile während der Zusammenkünfte nicht aufkommen kann. Man
kann Goschelbauer nur recht geben, wenn er schon 1949 betonte, das schlaraffische Leben in Deutschland habe nach der unseligen uhufinsteren Zeit eine Intensivierung gewonnen, wie sie wohl kaum
jemand hätte voraussehen können. Wie es auf den Kapitän André Soutou der französischen Besatzungsarmee, der viel als Gast in der Wormatia verkehrt hatte (er besaß ausgeprägten Sinn für Humor)
gewirkt hat, beweist ein von ihm verfaßter, reich illustrierter Artikel in der Zeitschrift „Realitée Allemande“ Nr. 14 vom Februar 1950. Er hat in seinem Aufsatz dem Uhubund, dessen Bräuche er
anschaulich schildert, ein hohes Lob gesungen und bringt am Schluß seiner Ausführungen die Verse:
„Die Welt ist kalt,
wir wollen eng zusammenrücken,
zum Feuer, das uns alle wärmt.“
Es wurden Verhandlungen mit den anderen Landesverbänden, die zunächst von Mann zu Mann, dann von Reych zu Reych und schließlich mit den offiziellen Vertretern der Verbände geführt wurden,
aufgenommen. Man hatte sich während der unseligen Zeit des Absolutismus in Deutschland auseinandergelebt und zwangsläufig machte sich aus den profan-politischen Bereichen auch in den Herzen
mancher Schlaraffen, vor allem in Amerika und in der Schweiz, eine Mentalität bemerkbar, die nur schwer zu überwinden war, und das bestehende Mißtrauen mußte erst langsam abgebaut
werden.
Allmählich aber überwog überall der schlaraffische Idealismus, und so konnte nach der Schaffung eines .„Allschlaraffenrates“ dann kurze Zeit später in feyerlicher Weise zu Gallia Helvetica am 29.
Ostermonds a. U. 98 die Konstituierung des "Verbandes Allschlaraffia" erklärt werden.
In den Landesverbänden gilt, mit geringfügigen Ausnahmen, der Posonium-Spiegel und das ihm
beigefügte Ceremoniale. Im ganzen Uhuversum wetteifern die schlaraffischen Reyche und ihre Mitglieder, um die schlaraffische Trias zu verwirklichen und dem allschlaraffischen Wahl- und Wahrspruch
„In arte voluptas“ Geltung zu verschaffen. Auf dem bereits erwähnten III. Deutschen Schlaraffentag, der in Hamburg am 22. und 23. Juni 1956 stattgefunden hat, bekannte man sich allgemein zur
Wiedererrichtung der
Allschlaraffia.
Den Beratungen wurden zugrunde gelegt die in Wien beschlossenen „Satzungen des Verbandes Allschlaraffia“. Man beschloß, daß die bis jetzt bestehenden fünf Landesverbände sich zum „Verband
Allschlaraffia“ zusammenschließen sollen. Zweck dieses Verbandes solle die Erhaltung und Pflege der schlaraffischen Idee im Sinne des Vermächtnisses des Gründungsreyches Allmutter Praga sein.
III.
Denk- und Wesensart Schlaraffias
Die Mimen des Prager Landestheaters hatten mit der Gründung ihres „Proletarier-Clubs“ im Jahre 1859 zunächst nichts weiter im Auge, als gegen die Überheblichkeit
und das Protzentum in der ,Arcadia“ anzukämpfen und sich als ausgelassen-fröhliches Künstlervölklein in der Art
eines Stammtisches gesellig zusammenzufinden.
Mit der Umformung und der Gründung der Schlaraffia noch im gleichen Jahre war man
bestrebt, dem „Verein“ Sinn, Inhalt und Ideale zu geben, um so einen Frohbund ins Leben zu rufen, in welchem es sich frei und
glücklich leben lassen sollte.
Es ist schon an anderer Stelle ausgeführt worden, daß das Wesen Schlaraffias – so gern
bzw. böswillig man es ihm auch immer wieder angedichtet hat – mit dem Prasser- und Schlemmerleben des
Märchen-Schlaraffenlan des eines Hans Sachs etc. nichts zu tun hat. Es ist vielmehr aus sich heraus entstanden und erst allmählich zu dem Edlen und Erhabenen geworden, mit jener einzigartigen
Ausstrahlungskraft, die sich als ein stetig Wachsendes und ein sich von innen heraus in der Welt immer weiter Ausbreitendes
erwies.
Was will nun Schlaraffia
Auf einen einfachen und kurzen Nenner gebracht: Schlaraffia will das Dunkle
erhellen und das Schwere leichtmachen, das Gute um des Guten willen tun, ohne Rücksicht auf Vorteil oder Lohn und so zum Besitze
irdischer Glückseligkeit führen!