100 Jahre Schlaraffia - Ein Rückblick

Beitrag von Ritter Vitruvius, Baruthia, für die "Chronik  Allschlaraffia", herausgegeben zum 125jährigen Bestehen am 10. im Lethemond a.U. 125 (profan 1984), III.Band, S. 189 ff.

I. Über die Entwicklung des Schlaraffentums und seine Geschichte bis zur uhufinsteren Zeit


Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war die Butzenscheibenromantik, das Biedermeier, die Postkutschenseligkeit Eichendorffs so gut wie abgeklungen. Die Zeit der Romantik, die „gute, alte Zeit“, war vorbei. Ein realistisches Zeitalter, bedingt durch den technischen Fortschritt, epochemachende Erfindungen und Neuerungen, war angebrochen. Dazu kam das Drängen und Kämpfen um die Freiheit der Persönlichkeit und des Geistes mit dem Ziel, die einengenden, lästigen Fesseln des Staatsgetriebes zu sprengen. Doch die ältere Generation träumte gern den seligen Zeiten von einst nach, die noch einmal Ehrenschlaraffe Gaudeamus (J. V. v. Scheffel)
heraufbeschwor. Und nicht nur die burschenfreudige und -selige Studentenschaft jubelte ihm zu.


Es entstanden die Ritterbünde und lebten auf im Sehnen nach mittelalterlicher Romantik. Auch andere Gesellschaften und Zirkel, insbesondere von Künstlern und Wissenschaftlern, schlossen sich zusammen, um auf selbstgeschaffenen Oasen und Tuskulums fern vom lauten, alltäglichen Getriebe ihr Eigenleben zu führen und sich ihm mit besonderem Brauchtum hinzugeben.


Die Schlaraffia, in manchem den letzteren ähnelnd, hatte zunächst einen völlig unromantischen Charakter. Der Proletarier-Club erstand spontan in der ersten Hälfte des Jahres 1859 aus Verärgerung über und aus Protest gegen die Künstlervereinigung Arcadia in Prag. Es war nur ein Stammtisch von Künstlern und Kunstfreunden, die es sich täglich bei Quell, Lied und Allotria – oft bis zum frühen Morgen wohl ergehen ließen. Das Interesse an solchem Treiben ließ bald nach; mehr und mehr Mitglieder blieben weg, und so war es schon vor dem Herbst des Jahres um den Proletarier-Club geschehen. Der in Prag hochangesehene Direktor des Landestheaters, Franz Thomè (Carl II.), der sich am Leben und Treiben des Proletarier-Clubs nicht beteiligte, wollte der Arcadia etwas Besonderes gegenüberstellen. So kam es zum Aufruf des Opernsängers Eilers (Graf Gleichen) an die Künstlerschaft mit
dem Erfolg, daß am 10. 10. 1859 der Verein, dem man dann den Namen Schlaraffia gab, gegründet wurde.

 

Es waren die alten Mitglieder des Clubs, vermehrt durch eine Anzahl gleichgesinnter Freunde. Man versuchte, dem Verein einen inneren Gehalt zu geben, begann auch mit den Anfängen eines Brauchtums im Zeichen von Kunst, Humor und Freundschaft, blieb aber zunächst den alten Sitz- und Trinksitten noch treu. Die Zusammenkünfte wurden durch Vorträge bereichert; insbesondere blühte sogleich eine einzigartige Liederpoesey auf, die sich bis heute in altem Glanze erhalten hat. Unvergänglichen Ruhm erwarb sich dabei vornehmlich A. Eilers (Graf Gleichen) als Dichter, Komponist und Sänger.


Man behielt im übrigen die profanen Namen bei, zu denen sich auch Spitz- und Juxnamen gesellten, und gebrauchte die Anreden: "Sie" und "Meine Herren" Das vertrauliche Du wurde zwar gestattet, war aber mit einem Ceremoniell verbunden.
Mittlerweile arbeitete der Schriftsteller Dr. Schmidt-Weißenfels (Graf Plato) die Verfassung aus (1861), die gelegentlich auch als "Urspiegel" bezeichnet wurde. Auch das Ceremoniale (Brauchtum) wurde weiter ausgebaut.


Ende 1860, Anfang 1861 regte sich erstmals der Rittergedanke. Es ist nicht bekannt, von wannen er kam, doch nach allem ist zu vermuten, daß Eilers und Oberländer ihn propagierten, um einen neuen Anreiz zu schaffen und die Sitzungen zu bereichern und zu beleben. Langsam (man ließ sich viel Zeit) führte sich ein „Rittertum“ ein, jedoch nicht im Sinne desjenigen der Ritterbünde.

Man betrachtete es mehr als Parodie, Persiflage und humorige Angelegereit. Die inzwischen eingebürgerten Schlaraffennamen wurden zu Ritternamen, soweit sich nicht Änderungen (wie bei Eilers, der sich nicht mehr Albertus, sondern nun Graf Gleichen nannte) ergaben.


Es war ein absonderliches und merkwürdiges Ritterwerden. Statt des „Ritterschlages“ führte man die „Rittertaufe“ durch. Keine Kopfbedeckung, keine Ritterbaretts, keine Ritterschwerter, keine Bandeliere! Statt der Anrede „Meine Herren!“ wurde das „Schlaraffen, hört!“ eingeführt. Nach und nach kam man zu Holzschwertern, die von den jungen Rittern gestiftet wurden. Als dann Hallenstein (Graf Höllenstein) aus Frankfurt eine Schellenkappe mitbrachte, wurde beschlossen, diese als Kopfbedeckung der Ritterschaft einzuführen. Doch brauchte dies Zeit bis ins Jahr 1862. Am 2. des Eismonds erschienen erstmalig sämtliche Ritter im Schmuck der mit Ohren und Schellen gezierten Kappe, dazu die Würdenträger mit ihren Insignien, „ein erhebender und erheiternder Anblick zugleich“. Mittlerweile war Eilers (Graf Gleichen) beauftragt worden, ein Ceremoniale für den Ritterschlag auszuarbeiten.ach Genehmigung desselben trat bei der Ritter-Erkürung der Ritterschlag an die Stelle der Biertaufe.

 

Das Ritterspielen blieb aber vorerst noch Nebensache bzw. belebendes Beiwerk. Vorherrschend waren die Pflege der Ideale: Kunst, Freundschaft und Humor sowie der „Cultus der 3 guten Geister, Aha, Oho und Uhu“, wobei der Uhu in zweifacher Gestalt – als Humpen und als Vogel – verehrt wurde. Die Mitglieder des Vereins hießen zuallererst „Reichsbürger“. Dieser Name ging dann auf die Eintretenden über, die man einem Bürgermeister unterstellte, der bei Einführung des Junkerstandes (die angehenden Junker hießen Candidaten oder Cadetten) die Amtsbezeichnung Junkermeister erhielt. Wesentlich später erst fügte man zwischen den Reichsbürgern und den Junkern den Knappenstand ein. Die Vorstufe Prüfling kannte man noch nicht. Aus den Reichsbürgern der Platoschen Verfassung wurden dann die Pilger, Pilgrims, Neophyten usw.. Das Innenleben im Reiche blühte auf. Es wurden Chöre und Lieder gesungen, poetische Vorträge gehalten, und dazu kreiste fröhlich-feucht ein mächtiger Pokal, aus „dessen Fluthen man Labung und Vergessen aller profanen Lebenswirren“ trank. Die Eitelkeiten und Lächerlichkeiten dieser Welt wurden durch einen feierlichen, närrischen „Cultus“ verspottet. Daher die Einführung eines höchst pomphaften „Ceremonials“, über dessen Auf-
rechterhaltung strenge gewacht wurde. Eine mittelalterliche Sprachweise bildete sich für die verschiedenen Bezeichnungen von Dingen und Handlungen aus: Gruß, Beifall und Zutrunksruf lauteten anders als bei gewöhnlichen Menschenkindern, und dazu kam, ganz wie von selbst, ein komisch gravitätisch sich bewegendes, mit Schalksmütze stolzierendes Rittertum, ein sich spreizender Hofadel und Reychsambtsdünkel, unfehlbarer Despotismus der Oberschlaraffen als der Erwählten des Reyches und demütig-ehr-
furchtsvoller Gehorsam seitens der übrigen Ritterschaft. Uhu wurde als mächtiger und kluger Wächter und als Bote der göttlichen Minerva zum Schutzpatron erkoren. (Später sprach man den Uhu der Göttin Athene zu.)

Die Symbole und Gebräuche sind nicht nach einem einheitlichen Plan als ein Fertiges eingeführt worden. Si
e wurden in den ersten Jahren wie bunte Steinchen auf der Grundlage der Platoschen Verfassung allmählich zu einem Mosaik zusammengetragen, das in der Hauptsache im Jahre 1861 fertig war.


Darüber, wie man diese Steinchen fand und sammelte, ist wenig gesagt. Manches davon ist einer augenblicklichen Laune, einem meist humorigen Ereignis oder auch einer ausgelassenen Trinkfröhlichkeit zuzuschreiben. Manches wurde mit zunehmender Läuterung des schlaraffischen Wesens wieder fallengelassen, und manches, das zuerst Spaß und Ulk bedeutete, ist seines scherzhaften Charakters entkleidet und „geheiligt“
in die ehernen Gesetze von Spiegel und Ceremoniale eingebaut worden und bildet so für alle Zeiten mit das feste geistige Fundament Schlaraffias.

 

Das feuchtfröhliche Künstlervölklein der Urschlaraffen mit seinem urwüchsigen Humor bemühte sich mit allen Kräften und mit Erfolg, seine Schlaraffia auf eine höhere geistige Ebene emporzuheben und die geschaffenen Ideale in Kunst, Kultur und geistiger Ethik immer weiter auf- und auszubauen. Es schuf sich so sein Wunderland, das zum Wesenskern und Mittelpunkt allen schlaraffischen Lebens, Wesens und Strebens wurde. 


Wie aber in der schönsten Landschaft Höhen und Täler abwechseln, so war es auch in Schlaraffias Wunderland, nur daß es hier keine lieblichen Täler waren. Es gab ein fast ständiges Auf und Ab, ein Aufeinanderprallen der Geister bis zur Turbulenz; Opposition und Ehrsüchteleien waren an der Tagesordnung. Aber immer wieder gelang es überragenden, vernünftigen Führern und einer straffen Regierung, die Wogen zu glätten und Ruhe und Frieden wiederherzustellen, bis in den Jahren 1863/64 allerschwerste Er-
schütterungen und Massenaustritte das Ende der Prager Schlaraffia herbeizuführen drohten.


Die spätere Chronica Drasals hat sich über diese Ereignisse ausgeschwiegen und ist über sie hinweggegangen. Man fragt sich: warum? Befürchtete man, daß durch eine Wiedergabe derselben der Allmutter Praga eine Perle aus der stolzen Krone fallen würde? Die Katastrophe und ihre Ursachen wurden totgeschwiegen. Nichts konnte über die letzteren in den Akten gefunden werden. Wir sind also nur auf Vermutungen angewiesen.


Ein Graf Gleichen war es, der mit ungebeugter Kraft und schier übermenschlichem Einsatz zusammen mit dem Häuflein der Treugebliebenen die große Gefahr bannte, den wankenden Bau aufs neue fundierte und seine alte Größe und Herrlichkeit wiederherstellte. War es doch angesichts der erheblichen Gefahren von außen fürs Reych und die einzelnen Mitglieder an sich schon eine große, ja gewaltige Tat, gegen die Politik anzustehen, dieselbe von der Burg fernzuhalten und sich nicht in den politischen Hexen-
kessel Prags mit hineinreißen zu lassen, sondern den Idealismus, während er draußen unterging, in ihren Mauern hochzuhalten! Wäre das nicht gelungen, so wäre damals in Schlaraffia alles in Scherben gegangen, und wir würden uns heute nicht unseres großen, allschlaraffischen Freundschaftsbun des erfreuen können!


Doch die Schicksalsschläge sollten nicht enden. Im folgenden Jahre 1865 reißt die nationale Spannung das Theater in Prag auseinander. Das tschechische Interims-Landestheater öffnete seine Pforten. Die Politik vertiefte die kulturelle Spaltung. In diesem Jahre 1865 endet die von Thomè (Carl II.) mit seiner Theatergruppe seit 1858 ausgeübte Tätigkeit am Ständetheater, das nun versandet. Damit war auch für die Mitglieder seines Ensembles keine Berufsmöglichkeit und kein Bleiben mehr. Die Praga und
mit ihr Schlaraffia erleiden erneut schwere, kaum überwindbare Schläge; müssen doch auch die führenden Geister und Würdenträger, die Besten und Begeistertsten, die „Säulen des Bundes“, Prag und dazu ihre Schlaraffia verlassen. Ur- und Oberschlaraffe Box (Hofschauspieler Oberländer) verzog 1864 nach Berlin; die beiden Ur- und Ehren-Oberschlaraffen Jagu (Ed Bachmann) und Graf Gleichen (A. Eilers) verließen 1865 Prag. Ersterer wanderte nach Leipzig, letzterer zog ins Thüringische nach Coburg und
wurde ehrenhalber zum „schlaraffischen Gesandten der Burg Co“, später "aller Reyche im Westen“ ernannt. 

 

Dem Ur- und Erboberschlaraffen auf Lebenszeit, Theaterdirektor Thomè (Carl II.), dem "Vater der Schlaraffia", veranstaltete man im Lenzmond 1867 die Abschiedsfeier; er ging als Theaterdirektor nach Linz. Es waren gerade die Männer, „die trotz mannigfacher Ungunst der Verhältnisse das Schifflein mit fester Hand durch Klippen und Untiefen führten, vor dem frühzeitigen Scheitern bewahrten, trotz Sturm und Wogenprall die Fahne Schlaraffias hochhielten . . .“ (Ur- und Erboberschlaraffe Graf Plato, Dr.
Schmidt-Weißenfels, der geistige Führer, hatte bereits 1861 Prag verlassen müssen und war nach Berlin übergesiedelt.).


Obwohl nun sieben Altritter und Urschlaraffen, die weggeblieben waren, wieder aufgenommen wurden und wohl 20 Neuaufnahmen erfolgten, war dies „kein bleibender Gewinn". „Neue Ziele wurden erstrebt, die dem Grundgedanken Schlaraffias fern lagen, und hier machte sich der verderbliche Einfluß eines Ritters bemerkbar, der vermöge seiner glänzenden Gaben berufen gewesen wäre, eine bedeutende Rolle zu spielen. Dieser erwarb sich durch Einführung der Faschings-Narrenabende ein mächtiges Übergewicht, so daß er sogar zum Oberschlaraffen gewählt wurde. Aber Humor und Laune lassen sich nicht durch Zwang herbeiführen, und manches gesellige Unternehmen scheiterte an dem Eigenwillen dieses Oberschlaraffen Banko, der mehr als einmal die Schlaraffia, ohne es zu wollen, an den Rand des Abgrunds führte, in den sie gestürzt wäre, wenn nicht Höllenstein, Ulalla, Dunkelmann, van Dyk, Lehmann, Barbarossa und später, nach seinem Wiedereintritt, Raps (d. Große) die gefahrdrohenden Wolken zu zerstreuen verstanden hätten. Schlaraffia hatte ihre Kräfte zersplittert und war drauf unddran, einem Phantom nachzujagen, das außerhalb ihrer Grundprinzipien
lag und Schlaraffia in die Irre geführt hätte.“

Da aber erstand in größter Not nach dem Abgange des Grafen Gleichen und im verderblichen Regime Bankos dem Reyche ein überragender Führer in dem Urschlaraffen Graf Höllenstein. Seiner Organisationskraft, seinem Weitblick, seinen geistigen Fähigkeiten, seiner Konzilianz und dem bedeutenden Ansehen, das er als Künstler und Mensch genoß, ist es zu danken,
daß Schlaraffia vom Irrwahn geheilt wurde und aufs neue aufblühte. Mit Fug und Recht muß deshalb Graf Höllenstein, später der große Oberschlaraffe der Vindobona, als „Erneuerer des Reyches“ gefeiert werden. So leuchtet aus dieser Erstperiode heute noch in hellstem Glanze das Dreigestirn Graf Gleichen: der „Gründer“, Graf Höllenstein: der „Erneuerer und - über beiden thronend- der Vater und Patriarch des Reyches", Carl II. am schlaraffischen Himmel! Mitten noch in dieser letzten Auseinandersetzung im Reyche zu Prag trat für den großen Gedanken des Schlaraffentums im Jahre 1865 ein freudiges Ereignis ein, das bestimmend wurde für die ganze Weiterentwicklung Schlaraffias.


Ein neuer, ungeahnter Frühling brach an. Der Ur- und Erboberschlaraffe Graf Plato hatte zusammen mit Adonis I. (Hofschauspieler Paul Dehnicke) in Berlin ein Reych gegründet, das er ebenfalls Schlaraffia benannte, obwohl es in Form und Brauchtum gänzlich abwich von dem im Reyche zu Prag. Die Berolina sippte völlig unabhängig vom Reyche Prag, übernahm wohl den Uhu als Schutzpatron, führte aber die spitzkegeligen, tütenförmigen „Braminenhelme“, die „Krone“ und den „Zopf“ ein. Plato wird nun Kalchas genannt und fungiert als „Patriarch“. Adonis wird Oberschlaraffe; darauf wird er zum Mikado und Kalchas (Plato) zum Taikun gewählt.


Wie tiefgründig übrigens die Platosche Weisheit gewesen, offenbart sich in der Widmung seines der Berolina 1866 gestifteten neuen Protokollbuches: „Die Narrheit des menschlichen Lebens ist eine so ernsthafte, daß in ihren heiteren Auslassungen sie zu erfassen, das ernsthafte Bemühen derjenigen sein muß, die sich über diese Narrheit nicht zum Narren machen lassen wollen.“ Zum besseren Verständnis sei gesagt: Taikun (japanisch) = hoher Herr, Mikado = japanischer Kaisertitel und Kalchas (griechisch) = Oberpriester, Seher und Dichter.


Plato zog damit absichtlich die Berolina nicht als Ritterschaft auf, ebensowenig übernahm er das Ceremoniell der Praga, obwohl er es gekonnt hätte. Irgendwie schien er also mit der Entwicklung in der Praga und deren System mit der Verwässerung der von ihm geschaffenen Prager Verfassung nicht einverstanden gewesen zu sein. Interessant hierüber sind die - in anderem Zusammenhange - gemachten Ausführungen des Rt Baldrian, Grazia (Universitäts-Professor i. R. Dr. phil. Balduin Saria, München):


„Plato schien das Rittertum noch als so unwesentliches Beiwerk der Schlaraffia, daß er für die von ihm 1865 gegründete Berolina darauf verzichtete und nach einem eigenen ,japanischen' Ceremoniale mit einem Mikado und Taikun als Herrlichkeiten sippte. Gewiß, auch die Flucht aus der Wirklichkeit in die räumliche Ferne wäre ein romantischer Zug, aber man darf nicht vergessen, daß um diese Zeit, Mitte der sechziger Jahre, gerade Japan ein sehr aktuelles Thema war. Es gab damals mehrfach ein Eingreifen der europäischen Mächte und der Vereinigten Staaten in Japan. Es war also durchaus nichts Romantisches an diesem japanischen Ceremoniale der Berolina, das übrigens auch die Grazia als Tochter der Berolina (und von der Grazia deren Töchter Hammonia I und Groß-Kanizsa) übernahmen.


Auch die alten Lamifu-, Bakilu-, Pusada- und Valmikiorden Grazias und z. T. auch der Berolina erinnern heute noch daran.“

Plato hatte sogleich der Praga von der Gründung der Berolina und von deren Beschluß, sich als Tochter der Praga zu bekennen, Mitteilung gemacht, was von der letzteren mit Jubel und Freude aufgenommen und mit herzlichstem Danke quittiert wurde. Aber:


„Es waren zwei Königskinder,
die hatten einander so lieb;
sie konnten zusammen nicht kommen,
...!"


Die politischen Umstände und Spannungen zu dieser Zeit zwischen Österreich und Preußen sowie der Krieg 1866 ließen eine Annäherung und eine engere Verbindung zwischen den beiden Reychen zu Prag und Berlin nicht zustande kommen. Es mußte also zunächst bei dem Beschluß der Berolina, „sich als Tochter der großen Mutter Schlaraffia Praga zu betrachten, die profanen Namen abzulegen und sofort den Taufakt vorzunehmen, sonst aber unabhängig vom Reyche Praga unter der Regierung eines Mikado und
Taikun zu sippen“, sein Bewenden haben.


Erst nach dem Krieg, im Jahre 1867, kam urkundlich die eigentliche Vereinigung zustande, als Praga im Wonnemond dieses Jahres die Berolina als Tochter anerkannte, und Graf Plato, alias Kalchas, nach Prag durch Sendboten vom 25. d. Monats über die besondere, mit großem Ceremoniell erfolgte Feier zur Verherrlichung dieser Tatsache berichtete. Aber es sollte
noch acht Jahre dauern, bis man wirklich zusammenkam und zusammenfand!


In der Praga arbeitete man in diesen Jahren sehr fleißig. Im Jahre 1867 bringt man den sogenannten 1. Spiegel mit Verfassung und den Grund- und Hausgesetzen heraus und im Jahre 1868 das sogenannte 1. Ceremoniell, beides sehr ausführliche und umfangreiche Dokumente.


Und obwohl es in dieser Zeit durch verschiedene Ereignisse, auch von außen her, nicht immer schiedlich-friedlich zuging, bewies das 10. Stiftungsfest 1869, daß Schlaraffia fest im Sattel saß dank der Oberschlaraffen Höllenstein, Lehmann und Raps.


Der Chronist erzählt: „Mächtig schwollen die Herzen aller, als man einen Rückblick auf das bisher Geschaffene warf, und freudiger hob sich die Männerbrust. Wie Siegesgesang erschollen unsere wunderbaren Lieder durch die prächtigen Hallen, und wahrlich, an diesem Tage wurden dieselben zu Triumphgesängen. Durch rastlose, aufopfernde Tätigkeit aller Beteiligten war der Kampf gegen Neid und profanes Philistertum siegreich beendet, und Schlaraffia hatte den Platz, nach wiederholten heißen Kämpfen, auf der gesellschaftlichen Stufenleiter behauptet, der ihr durch Uhus Gna
den zukam.“

 

Die Praga stand mit allen heimischen Vereinen in freundschaftlichem Verkehr, besuchte deren Festlichkeiten in corpore oder durch Deputationen und hielt die Freundschaft mit dem deutschen Männergesangverein, dem deutschen Turnverein etc. (bis über die Jahrhundertwende hinaus).


Der Krieg 1870/71 beeinflußte die Praga weniger als die Berolina, die eine kurze Stagnation durchzumachen hatte. Mit Beginn des Jahres 1871 vollzog sich die „große Tat“ der Prager Sassen, die Weltenuhr um 300 Jahre zurückzudrehen, ohne aber damit die Welt selbst aus den Angeln zu heben. Es geschah anscheinend in aller Stille und ohne alles Tamtam. Nicht einmal ein Drasal weiß etwas davon. Nur der Kalender der „Chronologia“ verzeichnet plötzlich das Jahr 1571 (statt 1871)! Dieses Jahr brachte leider der Praga einen außerordentlich schweren Verlust und tiefe Trauer. Graf Höllenstein folgte einem Rufe des Wiener Hoftheaters und zog von Prag in die Donaustadt.


Sein Kantzler U. v. Hutten sagt von ihm: „Ein echt ritterliches Wesen, ein nie versagender, drastischer Humor, eine überraschende Schlagfertigkeit, ein sicheres Erfassen des richtigen Ausweges bei bedenklichen Vorkommnissen, verbunden mit glühender Liebe und Hingebung für das Wohl des Reyches!

Außer dem tätigsten Anteil, den er als Redner und rezitierender Künstler an dem Unterhaltungsprogramm nahm, sehen wir ihn auch als uhubegnadeten Poeten tätig, und manch herrliche Blüte seiner poetischen Schaffenskraft bewahrt das Prager Archiv als Reliquie.“


Im folgenden Jahre 1572 verließ auch Carl II. (Thomè) seinė Praga, um den Ritt gen Ahall anzutreten. Seiner ist in der Chronica ehrend gedacht. Bis zuletzt bei schwerer Bresthaftigkeit nahm er doch regsten Anteil an den Ereignissen im Reyche und ließ sich die Dokumente und Sendboten zur Unterzeichnung vorlegen, treu bis zum letzten Atemzuge!


Ein wahres Glück im Unglück für die Praga war es, daß ihr in dem Oberschlaraffen Raps (Edmund Eichler) ein vollwertiger Ersatz zur Verfügung stand, der - mit hervorragenden Gaben des Geistes und des Herzens ausgestattet – mit ungewöhnlicher Tatkraft die Regierungsgewalt übernahm und die Praga und Schlaraffia zu ungeahnter Höhe und Größe führen sollte. In Ulrich von Hutten hatte er einen Kantzler zur Seite von außerordentlicher Klugheit und Gewandtheit und voll heller Begeisterung, unermüdlich im Planen und Schaffen, auch forschungstüchtig und poesiebegabt.


Ein epochemachendes Ereignis dieses Jahres war die Gründung eines Schlaraffenreyches in Leipzig, dann Lipsia benannt, durch den Urschlaraffen Huppel-di-Hax, Praga (Ballettmeister Reissinger) und Kurella, Berolina (Oberspielleiter Oswald Hancke). Die Lipsia kam dadurch zu der Ehre, zwei Mütter ihr eigen nennen zu dürfen: die Praga und die Berolina.

 

Kurella wurde als Oberschlaraffe die überragende Persönlichkeit (Huppel-di-Hax übersiedelte nach Moskau), und so kam es, daß in der Lipsia das Gedankengut eines Plato der Berolina überwog. Da die Lipsia schon bei der Gründung eine Anzahl bedeutender Persönlichkeiten als Gründer und Mitglieder besaß, entwickelte sich rasch ein reges geistiges Leben mit Sinn für Dicht-, Tonkunst und Wissenschaft voller Eigenart und voll großem Selbstbewußtsein.


Im Jahre 1573 erfolgte die Gründung der Grazia in der Landeshauptstadt der grünen Steiermark durch die Berolina. Selbst noch an den Schmerzen ihrer schweren Geburt leidend, wurde die Grazia schon 1574 Mutter sowohl der I. Hammonia als auch des Reyches Groß-Kanizsa auf der Veste Türk heim im Ungarland. Die erstere der beiden hatte kein langes Leben und die letztere, wie ein herrlicher Komet emporgestiegen, verblaßte bald und verscholl nach einer Reihe von Jahren.


Die Lipsia errichtete sich in diesem Jahr ein unvergängliches Denkmal mit der Herausgabe der „Schlaraffia-Zeitungen“ durch den bewunderswerten Grafen Klex (Robert Zangenberg). Wie wenig wüßte heute die schlaraffische Welt von Schlaraffia ohne diese Zeyttungen!


Mit den bedeutsamen Jahren 1575 und 1576 beginnt für das Schlaraffentum eine ganz neue Zeit! Die Urgeschichte Schlaraffias war abgeschlossen. Das isolierte Nebeneinander der Schlaraffenreyche sollte aufhören. Das Sehnen nach einem Miteinander, nach dem innigen Zusammenschluß, dem heißen Wunschtraum Raps des Großen, ging in Erfüllung. 1575 brachte das Vorconcil zu Berolina, 1576 kam das I. Concil zu Lipsia, die damit zur Geburtsstätte „Allschlaraffias“ wurde.


In der folgenden Zeit beginnt eine stürmische Aufwärtsentwicklung, besonders in den 1580er Jahren. Neue Reyche schossen wie Pilze aus der Erde. Sie hier aufzuführen, ginge über den Rahmen einer Kurzgeschichte weit hinaus. Im allgemeinen ist dazu zu sagen: Genaue Bestimmungen über die Gründung von Reychen bestanden zuerst noch nicht. In der Hauptsache waren Künstler der Altreyche die Gründer. Die Bühnenkünstler hatten ja in der damaligen Zeit noch keine feste Bleibe und mußten fast von Saison zu
Saison ihr Domizil wechseln. Die von Schlaraffia Begeisterten suchten und sammelten dann in ihren neuen Wohnsitzen einen Kreis von Gleichgesinnten um sich und gründeten - z. T. schon als Junker - illegal, d. h. ohne zuvor eine Genehmigung einzuholen, Schlaraffenreyche und stellten so Allschlaraffia vor vollendete Tatsachen. Zum Teil erst viel später erhielt die Allmutter Kunde und Nachricht davon. Das führte außer zu Verschiedenheiten der Gründungsdaten der Reyche auch zu einem Durcheinander und zu erheblichen Differenzen mit einzelnen Reychen und deren Gründern. Ging es letzteren doch vielfach darum, selbst als „Herrlichkeit“ zu glänzen, unbekümmert darum, ob die entsprechende und sorgfältige Auswahl der Mitglieder getroffen und die Gewähr für den Bestand der betreffenden Reyche gegeben war. (Wann und wir übrigens das so schmeichelhafte Attribut "Herrlichkeit" entstanden ist, läßt sich nicht feststellen.)
 


Erst als eine strenge Ordnung und der Begriff „Colonie“ eingeführt war, wurde es anders. Die Bestimmung, daß an einem Orte nur ein Schlaraffenreich bestehen dürfe, tat ein übriges. Zudem kam die Zeit, in welcher die Bühnenkünstler durch längere Engagements auch eine längere Seßhaftigkeit erhielten. Die Verhältnisse festigten sich. Da wenig bekannt, sei die Tatsache hier angeführt: Schon von allem Anfang an war Schlaraffia für die profane Welt ein ominöser Name, der in der Beurteilung ihres Zweckes und ihres Brauchtums zu Mißdeutungen führte. Diese waren dazu angetan, Schlaraffia lächerlich zu machen und herabzuwürdigen. Es erhoben sich bald und immer wieder unter den Schlaraffen Stimmen, die eine Änderung des Namens verlangten. Wie schwer hatten es selbst die Größten Schlaraffias, mit dem Namen Schlaraffia zu landen. Graf Plato brauchte mit der Berolina vier Jahre, Graf Höllenstein mit der Vindobona neun Jahre und Graf Gleichen mit seinem Doppelreych Kyborgia-Gotaha gar 17 Jahre zwar, obwohl sie während dieser Zeit dauernd im Kreise von Gleichgesinnten verkehrten und mit diesen innigsten Kontakt hatten.

Bald nachdem die Lipsia (1572) gegründet war, hatte man dort auch eine eigene Meinung hinsichtlich des Namens Schlaraffia. Man fühlte sich anscheinend wohler als „Eulalia“-Ritter und sang begeistert das „Eulalia“-Lied. Das Ankämpfen gegen den Namen Schlaraffia hielt an, so daß man bei einer Vorbesprechung für das III. Münchener Concil am 28./29. 1. 1588 eine allgemeine Beratung über eine etwaige Änderung des Namens anberaumte. Es wurde u. a. vorgeschlagen .„Artushof“, welcher Antrag aber keine allgemeine Zustimmung fand, ebenso wenig eine mit dem griechischen "glaux" zusammenhängende Wortbildung (glaux zu deutsch Eule; Pallas Athene hatte den griechischen Beinamen Glaukopis). Man kam zu keiner Einigung, und so blieb erfreulicherweise alles beim alten.

In der Jahrung 1584/85 waren es bereits 46 Reyche mit zusammen 1720 Sassen; Praga hatte 96 Mitglieder. Die Concile zur Beratung wichtiger, Allschlaraffia berührender Fragen und zur Fassung von Beschlüssen, Spiegeländerungen usw. wurden in der Regel von fünf zu fünf Jahren abgehalten; die Legaten sämtlicher Reyche hatten Sitz und Stimme.

Der schlaraffische Gedanke, nachdem er in Österreich-Ungarn und in Deutschland gezündet hatte, wurde wie eine helle Flamme landauf, landab durch die Lande getragen, gegen Osten und Westen, Süden und Norden. Überall in größeren Städten oder solchen Orten, die als Kulturzentren angesprochen werden konnten, entstanden Neugründungen.

Aber auch über die Grenzen der eng verbündeten Länder zog Uhu und ließ sich 1579 zuerst in Holland nieder (Amstelodamia und später Rotterdamia), dann 1580 im Zarenreich (Revalia und später Tarbatum), im gleichen Jahre in der Schweiz (Turicensis und Basilea), denen die Berna (1584) und die Gallia Helvetica (a. U. 45) folgten; und er wagte 1584 sogar den Flug über die Meere und Ozeane gen Franciscana California am Goldenen Tor.

Mutter der letzteren war die rührige Berolina, die auch 1588 in Ägypten die Colonie Alexandria und ein Jahr später in Australien die Colonie Aucklandia gründete. Ansonsten seien noch in Amerika genannt: die Nova Yorkia (1585), die Chicagoana (1588), die Brooklynia (a. U. 35), Filadelfia (a. U. 36) und Washingtonia (a. U. 55).

Im Jahre 1585 erschien in England die Colonie Londinia, die zwei Jahre später einging und a. U. 37 durch das Reich Londinium (Berolina) ersetzt wurde. In Belgien entstand 1592 die Antwerpia, die sich noch einige Jahre über den Ersten Weltkrieg hinaus behaupten konnte. Zu Anfang des Jahres 1914 (a. U. 55) gründete die Franciscana California in China das Reich Shanghai-Tse.

Vom I. Concil 1576 bis 1914 (a. U. 55) haben noch weitere sieben Concile stattgefunden. Jeweils waren Verbesserungen im Spiegel und Ceremoniale die Hauptverhandlungsgegenstände. Besonders herauszuheben ist das glanzvolle Concil, das a. U. 50 (1909) in Wien abgehalten und mit der Feier des 50jährigen Bestehens der Schlaraffia Praga verbunden war. 
Ursprünglich war selbstverständlich gedacht, dasselbe in Prag abzuhalten, aber die politischen Verhältnisse hatten sich derart verschlimmert, daß schwere Ausschreitungen tschechischer Fanatiker zu befürchten waren, wenn die Praga ihre mit dem Concil verbundene Halbjahrhundertfeier daheim festlich begangen hätte. 
War Allschlaraffia doch dadurch schwer verdächtigt, daß sie offen kundtat: „Die Sprache in Schlaraffia ist deutsch!“ So sah sich Praga genötigt, die herzliche Gastfreundschaft der Vindobona in Anspruch zu nehmen und alle Beratungen, Feste und Feierlichkeiten dort vor sich gehen zu lassen, wobei sich die Vindobona in ihrer Hilfe und Mitgestaltung schier überboten hat. Dieses Concil brachte übrigens die „Chronica Allschlaraffiae“ von Drasal. 
Als der Erste Weltkrieg am 2. August 1914 aufloderte, hatte die Allschlaraffische Stammrolle, die alle Niederlassungen des Uhubundes nebst den schlaraffischen und profanen Namen aller Sassen enthält, 197 Reyche und Colonien zu verzeichnen, von denen 175 sich in voller Aktivität befanden. Untereinander standen diese schlaraffischen Vereine in einem ständigen Gedankenaustausch. Erstklassige Künstler waren Mitglieder, die während der Sippungen ihr Bestes boten. Akademiker, Offiziere, Beamte, Kaufleute und Angehörige der freien Berufe etc., suchten allwöchentlich in den Sippungen Erholung von des Alltags Mühen und Lasten; Witz und Geist herrschten bei diesen Zusammenkünften vor, die meist durch den Besuch von Schlaraffen auswärtiger Reyche und Colonien eine besondere Prägung erhielten. Überall wurden alljährlich Feiern zu Ehren der Heroen der Kunst und Wissenschaft abgehalten, die durch musikalische Vorträge und Fechsungen von der Rostra verschönert wurden.

Was die Allschlaraffia vor anderen kulturellen Vereinigungen auszeichnete, war ihr wunderbarer, einzigartiger Liederschatz. Könner von hohen Graden haben die Texte zu den schlaraffischen Liedern gedichtet und schlaraffische Künstler lieferten die Kompositionen dazu. 
Zu Anfang August 1914 war der allschlaraffische Verband auf einem Höhepunkt angelangt. Viele Sassen der deutschen und österreichisch-ungarischen Reyche und Colonien mußten aber nun im Ersten Weltkrieg ihrer vaterländischen Pflicht Genüge leisten. Als tragisch ist es zu bezeichnen, daß nach dem Eintreten Nordamerikas in den Weltkrieg im Frühjahr 1917 die dortigen Schlaraffen genötigt waren, zu den Waffen gegen Deutschland und Österreich und damit deren Schlaraffen zu greifen. 

Daß die Sippungen der Reyche daheim unter den Kriegserscheinungen mehr oder weniger litten, ist wohl selbstverständlich, und angesichts des Ernstes der Zeit konnte es zu keiner Fröhlichkeit, zu keinem Humor mehr kommen. Vielfach beschränkte man sich auf kristallinisches Zusammensein und auf das Gebiet der Wohltätigkeit. Und eine ständige stille Freude herrschte über die von den im Felde stehenden Sassen eintreffenden Briefe und Botschaften.

Waren während des Völkerringens trotzdem noch drei deutsche Reyche und zwei in der Donaumonarchie entstanden, so nahmen bald nach dem für Deutschland und seine Verbündeten so unglücklichen Verlauf des ersten Weltenbrandes die schlaraffischen Arbeiten fast überall ihren unveränderten Fortgang, und allmählich zog in die schlaraffischen Sippungen die alte, richtige Stimmung wieder ein.

Freilich mußten angesichts der deutschfeindlichen Strömungen in verschiedenen Ländern gar manche liebe Reyche die Pforten ihrer Burgen schließen, wie die Amstelodamia, die Antwerpia, Londinium, die Strasseburgia und die gute Metis (und später auch die in Südtirol gelegenen Schlaraffenreyche). Aber nun kamen und häuften sich wertvolle Neugründungen, vor allem in Deutschland, dann auch trotz Auflösung des Staatenverbandes Österreich-Ungarn in dessen Nachfolgestaaten. Neue Reyche entstanden in Nordamerika; auch in Ostasien breitete sich Allschlaraffia weiter aus: Yedo Japonica (Tokio), Peihonia Asiatica (Tientsin-China) und Kobea Japonica (Kobe). Jugoslawien und Rumänien setzten damals der Errichtung neuer schlaraffischer Vereine auch einen Widerstand entgegen. Eine besondere Freude aber war es, als Uhu sich auf dem südamerikanischen Kontinent niederließ, als es der Dusseldorpia gelang, in Argentinien die Bonaerensis (Buenos Aires) zu gründen, der drei Jahre später in Saõ Paulo (Brasilien) die Paulista folgte.
Um die gedeihliche Fortentwicklung des allschlaraffischen Bundes stand es gut, zumal dieser es mit seinem Bestehen meisterhaft verstanden hatte, religiöse und parteipolitische Erörterungen aus den Sippungen fernzuhalten. 
Nicht hoch genug kann auch der Wert der „Schlaraffischen Zeyttungen“, auch des „Uhus“ der „Hala“ etc., als Bindeglied aller Schlaraffen veranschlagt werden. 
Allgemeine Freude löste es aus, als im September 1920 in Karlsbad (Caroli Thermae) das IX. Concil unter großer Beteiligung der Legaten der Reyche und ihrer Geleitsritter stattfinden konnte. Man war bester Stimmung und glaubte alles in schönster Ordnung. 
Doch nationalistische und antisemitische Strömungen machten sich bereits nach einiger Zeit in gewissen schlaraffischen Kreisen geltend. Deshalb kam es im Sommer 1923 (a. U. 64) zu der von ErbO Devast dem Großen geleiteten Versammlung in der Dresdensia. Man trat den unschlaraffischen völkischen und hurrapatriotischen Tendenzen entschieden entgegen. Und als sich ein Reych offen gegen die Ziele der Allschlaraffia auflehnte, indem es antisemitische Grundsätze annahm, wurde es durch das Schiedsgericht ausgeschlossen. Auch die „Nuntien der Allmutter“ stimmten dem zu. Die Nuntien waren in Schlaraffia ein hoher Beirat des Allschlaraffenrates und auch mit der Vertretung der Allmutter betraut. Sie erfreuten sich aber im allgemeinen keiner besonderen Beliebtheit und sollten seit dem Heidelberger Concil als abgeschafft gelten.

Das ausgeschlossene Reych wurde, nachdem es sich wieder bekehrt hatte, auf diesem Concil – nach Ablauf einer Bewährungsfrist – wieder aufgenommen. 
Den am Concil anwesenden Vertretern der nordamerikanischen Reyche, die während der Notzeit der Inflation durch Liebesgaben hervorragende Hilfe geleistet haben, wurde der herzlichste Dank ausgesprochen. 
ErbO Devast hatte als erfahrener und selbstsicherer Steuermann sein Schiff um Brandung und Klippen herumgeführt. Scheinbar war nunmehr die Ruhe im Uhuversum wiederhergestellt. Aber die unbelehrbaren Fanatiker suchten nach anderen Mitteln, um ihr Ziel zu erreichen. In diesem Zusammenhang sei der 1924 zu Wien gegründeten sogenannten Urschlaraffia Erwähnung getan, ohne auf ihre Tendenzen, ihr – hauptsächlich von All-Schlaraffia übernommenes  Brauchtum und ihre Ziele weiter einzugehen.
Das unter der Leitung des ErbO Devast im Jahre 1929 in Juvavia (Salzburg) abgehaltene Concil verlief harmonisch.
Aber bald, Anfang der 30er Jahre, setzten Angriffe und Verleumdungen im „Völkischen Beobachter“ gegen die Schlaraffia und ihre Anhänger ein.
Es wurde versucht, die Schlaraffen lächerlich zu machen oder sie vaterlandsloser Gesinnung zu zeihen. Als dann am 30. Januar 1933 Deutschland dem Nationalsozialismus ausgeliefert wurde, entstand für die reichsdeutschen Schlaraffen die so schwerwiegende Frage: Was nun, wie soll man sich dem neuen Regime gegenüberstellen?
Es muß hier – entgegen aller schlaraffischen Gepflogenheit – auf die profanen Verhältnisse im damaligen Deutschland eingegangen werden, um den Verlauf der schlaraffischen Ereignisse zu erklären. Diese profanen Entwicklungen sollen aber nur soweit Erwähnung finden, wie es zur objektiven Darstellung notwendig ist.
Die nationalsozialistische Regierung begnügte sich nicht damit, den gesamten Regierungsapparat des Reiches, der Länder und der Gemeinden nach ihren politischen Grundsätzen zu besetzen. Sie griff mit dieser zwangsweisen Umgestaltung auch auf alle gemeinnützigen und privaten Anstalten und Unternehmen, ja auf alle Vereine jedweder Art über, gleichgültig, ob es sich um Gesellschaften zur Förderung der Künste oder um Kegelvereine handelte. Alles wurde in Zentralverbände zusammengefaßt, statutenmäßig umgestellt und unter nationalsozialistischer Leitung „gleichgeschaltet“. Diese Gleichschaltung gelang nun bei manchen Gesellschaften mit rein geistiger Betätigung nicht, wie z. B. bei der Schlaraffia, die ja mit profanen Dingen nichts zu tun hat und innerhalb deren Vereinsleben die Beschäftigung mit Politik, Religion und profanen Geschäften verboten ist. Mit dieser
kurzen Skizzierung soll das Gebiet der profanen Politik verlassen werden, d
eren Auswirkung auf die Schlaraffenreyche in Deutschland Gegenstand der folgenden Darstellung ist.

Die diktatorische Regierung wußte mit der Schlaraffia und ihren Zielen nichts anzufangen, war auch gar nicht gewillt, darauf einzugehen. Es begann in Wort und Schrift ein Kampf gegen Schlaraffia, die einerseits als ein Geheimbund verdächtigt wurde; schließlich wurde sie als Loge oder als ein logenähnliches Gebilde bezeichnet und verfiel dadurch auf leichte Weise der gleichen Ächtung, unter der die Freimaurerlogen zu leiden hatten.
In diesem Stadium begannen die Vorbereitungen zwischen den beiden ältesten deutschen Reychen Berolina und Lipsia darüber, wie die drohende Vernichtung der deutschen Schlaraffenreyche abgewendet werden könnte. Nachdem so alle Vorarbeiten geleistet worden waren, lud das älteste deutsche Reych, die hohe Berolina, mit Sendboten vom 13. Ostermond a. U 74 alle reychsdeutschen Schlaraffenreyche und Colonien zu einer außerordentlichen Sitzung für Sonntag, den 23. Ostermond a. U. 74 (1933), nach Lipsia in deren Pleissenburg ein. Nach der Anwesenheitsliste waren 89 Delegierte erschienen, die 116 Stimmen, also Reyche, vertraten.

Die Allmutter Praga hatte die Erklärung abgegeben, daß es den reychsdeutschen Schlaraffenreychen überlassen bleiben müsse, den richtigen Weg zu suchen, „um das zu tun, was die Gegenwart erheischt“. – Die Gegenwart erheischte die Stellungnahme zu den Vorbedingungen der nationalsozialistischen Regierung, unter denen die Schlaraffia in Deutschland weiter geduldet werden könne. Diese Vorbedingungen lauteten:

1. Loslösung von Allmutter Praga
2. Annahme des Arierparagraphen
3. Gleichschaltung, das heißt: Annahme des Führer-Grundsatzes

Nach dem Referat von ErbO Millex, Monachia, beschäftigte sich die Delegierten-Versammlung mit Gründlichkeit und Hingabe mit der Sachlage und der bestehenden Zwangsläufigkeit: entweder der Lage Rechnung zu tragen, um das Fortbestehen der deutschen Schlaraffenreyche zu ermöglichen, oder: die Vorbedingungen nicht zu erfüllen und dadurch das drohende Verbot zu beschleunigen.
Wenngleich durch einen entsprechenden Beschluß die Führung der reychsdeutschen Reyche durch die Allmutter Praga aufgehört hatte, so mußten doch Verhandlungen zwischen den beiden Verbandsleitungen in technische und organisatorische Umstellungen weitergeführt werden. Diesem Zwecke diente eine Tagung der Allmutter Praga und des Geschäftsführenden Ausschusses des reychsdeutschen Verbandes, die am 27. und 28. Wonnemond a. U. 74 (1933) in der Allmutterburg zu Prag stattfand. Nach zweitägigen Verhandlungen wurde folgende Vereinbarung getroffen: 
1. Gezwungen durch die profanen Verhältnisse scheiden die reichsdeutschen Schlaraffenreyche aus dem Verband Allschlaraffia aus und bilden nunmehr einen gesonderten Verband mit eigener Führung.
2. Der Allschlaraffische Verlag zu Lipsia geht mit allen Rechten und Pflichten an den reichsdeutschen Verband über; die beiden Verbände werden auf die technische und organisatorische Verwaltung (z. B. Zeyttungen und Stammrolle) getrennt zu Werke gehen.
 
3. Auch die finanziellen Fragen werden in freundschaftlicher Weise derart gelöst, daß das Vermögen des bisherigen Allschlaraffischen Verlages zu Lipsia und der Mammon, den die reichsdeutschen Reyche am 28. des Wonnemonds a. U. 74 an die Allmutter Praga zu berappen verpflichtet waren, dem reichsdeutschen Verband abgetreten werden. Durch diese Vereinbarung erscheinen beiderseits alle finanziellen Ansprüche aus dem Titel der gesamten bestehenden allschlaraffischen Fonds endgültig erledigt.

Die späteren Konzile beider Verbände haben dann diese Vereinbarung durch einstimmige Beschlußfassung angenommen. Der Chronist würde aber die Bedeutung und dem Geiste der schicksalhaften Tagung in der Burg der hohen Allmutter Praga nicht gerecht, wollte er sich auf die Darstellung der formalen Ergebnisse beschränken. Die Verhandlungen waren von innigster und aufrichtigster schlaraffischer Freundschaft getragen. Auf das tiefste bewegt von der harten Notwendigkeit, dem profanen und brutalen Zwang Rechnung tragen zu müssen, um nicht der polizeilichen Auflösung zu verfallen, kam elementar die unveränderte schlaraffische Verbundenheit zum Ausdruck, die trotz der äußerlichen Trennung nicht, aber auch gar nicht, an Kraft und Charakter eingebüßt hatte.

Nachdem der „Bund Deutsche Schlaraffia“ in allen seinen Teilen aufgebaut war, stellte sich bei der Fortführung des schlaraffischen Lebens in den deutschen Reychen heraus, daß die Umgestaltung unserer Organisation auf die Dauer nicht vor Angriffen aus der profanen Welt schützte. Trotz aller Besorgnisse sippten nicht nur alle deutschen Schlaraffenreyche weiter, sondern sie erfuhren sogar eine Vermehrung durch die Colonien Riesa (Riesa an der Elbe), An der Meyenburg (Schweinfurt in Bayern), Landesaue (Landau in der Pfalz) und Portus Betsiae (damals in Port Elisabeth, New York). Die Colonie Riesa schloß ihre Burgpforte bald wieder, die anderen Colonien wurden ebenso wie die schon bestehende Colonie Am Werdenfels (Garmisch-Partenkirchen) sanktioniert. Die Erhebung zu Reychen erfolgte bei den Colonien Am Werdenfels, An der Meyenburg und Landesaue durch
den Bundesführer Pfifficus, diejenige der Colonie Portus Betsiae in seinem Auftrage durch den Bundesoberschlaraffen Siegmaul, Lietzowia, der sich um jene Zeit beruflich in den Vereinigten Staaten von Nordamerika aufhielt.

Dem „Bunde Deutsche Schlaraffia“ traten im Laufe der Zeit noch folgende außerdeutsche Reyche bei: Paulista, Yedo Japonica, Kobea Japonica.

Die Spannungen zwischen den profanen politischen Entwicklungen und der unverändert gleichbleibenden schlaraffischen Welt wurden immer stärker, so daß der Bundesführer eine Aussprache im Ministerium des Innern Berlin, anstrebte, die dann auch stattfand. Sie ergab leider wieder die Verständnislosigkeit, mit der die Regierung den kulturellen Bestrebungen der Schlaraffia gegenüberstand. Der stellvertretende Bundesführer, Phisto, Lipsia, der mehrere Jahre in China gelebt hatte, wies im Verlaufe der Aussprache auf die Bedeutung der Schlaraffia für das Deutschtum im Ausland hin. Als Antwort erhielt der „Bund Deutsche Schlaraffia“ eine Verfügung des Reichsführers-SS und Chefs der deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern, Berlin, vom 21. 7. 1937 des Inhalts, daß die im Ausland getroffenen Feststellungen unsere Behauptung, die schlaraffischen Vereinigungen
im Auslande stellten einen wertvollen Faktor zur Förderung des Deutschtums dar, sich nicht bestätigt hätten. - Vorgenannte Dienststelle erwarte nunmehr die freiwillige Auflösung des Bundes Deutsche Schlaraffia e. V. bis zum 1. März 1937. Damit war jede Aussicht auf weitere Verhandlungen geschwunden und das Schicksal des Bundes besiegelt.

Der „Bundesführer“ berief daraufhin sofort ein außerordentliches Concil nach Leipzig, in die Pleissenburg des Reyches Lipsia, ein, mit folgender Tagesordnung:

1. Beschluß über die Auflösung des Bundes mit Wirkung ab 28. 2. 1937 nach dem Wunsche der Reichsregierung.
2. Wahl eines Liquidators und eines Ersatzmannes.
3. Beschluß über die sofort zu beginnende Liquidation.

Das außerordentliche deutsche Concil fand statt und faßte die vorgeschlagenen Beschlüsse. Damit fand ein vierjähriges Ringen
um schlaraffische Geltung seinen vorläufigen Abschluß. Es war ein Kampf, in welchem dem Bund Deutsche Schlaraffia keinerlei Machtmittel oder Rechtsmittel zur Seite standen. Er hatte sich nur auf die Lebenskraft der schlaraffischen Idee stützen können.

Den bei der Auflösung herrschenden Geist hat Rt. Grachus, Babenbergia, mit seiner Blitzfechsung sinnfällig zum Ausdruck gebracht:

 

„Dem Willen der Staatsmacht sich beugend,
löst heute Schlaraffia sich auf –
freiwillig klingt nicht überzeugend,
doch nehmen dies Wort wir in Kauf!“


Heute besehen, ist klar, daß die sofortige Auflösung der reychsdeutschen Schlaraffenreyche im Jahre 1933/34 die richtige Lösung gewesen wäre. Es war ein verhängnisvoller Irrtum, den Zusagen des Staates Vertrauen zu schenken. Den meisten Reychen hat man zu allem noch das ganze Besitztum mit Archiven usw. konfisziert. 

 

Nach der Selbstauflösung blieb den deutschen Schlaraffen nur das Zusammenkommen an Stammtischen, die oft von Gestapospitzeln überwacht wurden. 

 

Im übrigen Uhuversum nahmen die Sippungen ihren ungestörten Fortgang. Es wurden Neugründungen vorgenommen und zwei allschlaraffische Concile, 1933 in Maria-Aquensis (Marienbad) und 1938 in Posonium (Preßburg), abgehalten.


In Maria-Aquensis wurde die Schaffung „fahrender Sassen Allschlaraffias“ beschlossen und der Allmutterrat um vier Nuntien erweitert. Posonium brachte die Schaffung eines 16gliedrigen Allschlaraffenrates, die Verringerung der Schiedsrichter von neun auf fünf, die Abschaffung des Matrikularbeitrages, die Beibehaltung der „Fahrenden Sassen“, doch nun mit der Bezeichnung „Reychsunmittelbare Recken“ (d. s. Sassen, die Schlaraffia treu blieben, aber im Reyche aus rassischen etc. Gründen nicht mehr bleiben konnten oder wollten). Auch notwendig gewordene kleine Spiegeländerungen mußten vorgenommen werden, wodurch der sogenannte Posonium-spiegel entstand, zu dem man sich auch in Deutschland bei Wiedererstehung der Reyche bekannte.

Aber auch für die Reyche im Osten begann nun die Notzeit, denn die Nazis verboten bei ihrem Eindringen und bei Besetzung von Ländern sofort die dort bestehenden schlaraffischen Vereine. In Österreich, im Sudetenland und in der Tschechei. Damit fiel auch Allmutter Praga dem nationalsozialistischen Terror zum Opfer. Man hatte dies schon erwartet, aber der Schlag kam dann doch so plötzlich, daß es nur Hals über Kopf möglich war, einen kleinen Teil des Praga-Archivs nach Bern zu retten. Es hatten deswegen schon vorher Besprechungen eines Prager Schlaraffen mit Schweizer Sassen stattgefunden, und hauptsächlich ist es mit das Verdienst des ErbK Parafratello der hohen Berna, der durch seine Beziehungen die Rettung des Archivschatzes ermöglichen konnte. Ansonsten fiel alles, dessen man habhaft wurde, wie schon zuvor in Deutschland, in die Hände der Gestapo.

 

Nach dem für Deutschland und seine Verbündeten katastrophalen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde es den ehemaligen Schlaraffen-Reychen wieder möglich, ihre Burgen (soweit sie noch vorhanden waren) zu beziehen und wieder zu sippen. Aber im ehemaligen deutschen Osten, von Ostpreußen bis zum Eisernen Vorhang, bleibt es uhufinster, wenn auch kein direktes Verbot der Schlaraffia besteht. Auch in allen Satellitenstaaten der Sowjets sowie in Jugoslawien wurde die Wiedererrichtung der Schlaraffen-Reyche nicht gestattet. Im ehemaligen Deutschen Reiche wurde es nur in der Bundesrepublik und in den Westsektoren Berlins möglich, die Wiederherstellung der schlaraffischen Vereinigungen durchzuführen.


Wie aber sah es sonst im Uhuversum aus? Ein großes, gar nicht hoch genug einzuschätzendes Glück war es, daß die helvetischen Reyche von all 
diesen trüben Ereignissen unberührt blieben und ungestört weitersippen konnten. Das gleiche war bei den nordamerikanischen Reychen der Fall, während die südamerikanischen Reyche, soweit sie sich dem „Bunde Deutsche Schlaraffia“ angeschlossen hatten, ihre Burgen schlossen.


Am XIII. Concil zu Posonium vom 26. bis 28. Wonnemond a. U. 79 waren 66 Reyche vertreten. Das wichtigste Thema des Concils war die Sicherstellung des Weiterbestandes Allschlaraffias auch für den Fall, daß die Leitung vom Sitze der Allmutter aus unmöglich würde. 
Ein Beschluß wurde aber nicht gefaßt. Schon damals dachte man daran, „Landesverbände“ zu bilden; dieser Gedanke wurde jedoch mit der Begründung abgelehnt, daß dadurch „nationale Interessen“ in den Vordergrund gestellt würden.

Es wurde empfohlen, an Stelle der Allmutter einen 16gliedrigen Allschlaraffenrat zu setzen, falls die Allmutter ihres Amtes nicht mehr walten konnte. Das Concil, das kein praktisches Ergebnis erreichte, hatte zahlreiche inoffizielle Fühlungsnahmen zur Folge. Man diskutierte eine allfällige Verlegung der Allmutter unter Umständen sogar nach Amerika, falls dies durch profane politische Ereignisse notwendig werden sollte. Eb.-Hkt. Rhenanus (Berna) empfahl, sich mit einem helvetischen Landesverband vertraut zu
machen. Am 1. Lethemond a. U. 79 wurde der „Landesverband Schlaraffia Helvetica“ als schweizerischer Bund gegründet. Dieser bezeichnete sich als Treuhänderin des schlaraffischen Gedankens und wollte ihn wie ein heiliges Feuer hüten.

Im Windmond des Jahres meldete die Praga, daß sie wohl noch weiter bestehe, aber die Schriftführung nach außen einstellen müsse. Ihr Thron müsse zum Teil neu besetzt werden. Damit war die Allmutter ausgeschieden. Für die Schlaraffia Helvetica war sie aber zum Symbol geworden.


Am 11. Hornung a. U. 80 erschien Rt Sostopsil aus der Praga zu einer Besprechung in der Gallia Helvetica. Er gab bekannt, daß die Verhältnisse in 
Prag verzweifelt seien, daß man sich kein klares Bild über die Entwicklung machen könne. Man hoffe wohl, daß man einen Zusammenbruch vermeiden könne. Ein wesentlicher Teil der Schlaraffen-Reyche sei abgefallen. Man vermute, daß dort, wo der Nationalsozialismus herrsche, die Schlaraffia irgendwie staatlich organisiert werde. Die Schlaraffia Helvetica gab sich nun ihre eigene Organisation. Sie wählte einen helvetischen Allschlaraffenrat. Jedes Reych hatte in der Rangordnung seines Alters während drei Jahre als Vorort zu amtieren.


Im Lenzmond a. U. 80 besetzten die Deutschen die Tschechoslowakei. Die Praga galt nun endgültig als erloschen und verloren. Direkte Nachrichten trafen nicht mehr ein. Mit Ausnahme der schweizerischen und amerikanischen Reyche lösten sich die übrigen Reyche in rascher Folge auf. Am 12. Eismond a. U. 81 konnte auf die Initiative von Sostopsil dank der Vermițtlung von Parafratello und der Mitwirkung von Schweizer und Prager Persönlichkeiten das Praga-Archiv (leider nur ein kleiner Teil!) nach der Berna
gerettet werden. Die Schlaraffia Helvetica hatte sich in den Kriegsjahren bewährt . . . Nach Kriegsende wurde das „Schlaraffische Hilfswerk“ ins Leben gerufen, wobei sich vor allem die Turicensis in hervorragender Weise einsetzte, Not und Elend zu lindern.

Besonders zu erwähnen und hervorzuheben ist das treue Durch- und Festhalten an Schlaraffia und Allschlaraffia seitens der amerikanischen Reyche während der uhufinsteren Zeit trotz der riesigen Entfernungen der einzelnen Reyche voneinander. Wie in Helvetica gründete man einen Allschlaraffenrat und schloß die Reyche zum „Landesverband Schlaraffia Amerika“ zusammen.

Hilfreich nahm man sich der geflüchteten und ins Exil gegangenen Schlaraffen an und schuf, wie schon so oft, Wohlfahrtseinrichtungen und nach dem Kriege das "Schlaraffische Hilfswerk" zur Unterstützung notleidender Schlaraffen.

Ganz besondere Verdienste erwarben sich durch ihre Führereigenschaften, durch ihre Tatkraft und ihren Weitblick die beiden ErbO Tilli und Tex. 

 

Damit sei die Kurzgeschichte des Schlaraffentums abgeschlossen.


100 Jahrungen – Stichworte - Erinnerungen - Lücken und Irrtümer - aber Geschichte, aus der Erfahrung werden konnte.

 

II. Das schlaraffische Geschehen nach dem II. Weltkrieg bis zur Wiedererstehung Allschlaraffias


Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde für den Uhubund in den Ländern, wo er dem Terror erlegen war, die Bahn wieder frei. Freilich stieß man regional sofort auf ein schweres Hindernis. In allen östlichen Satellitenstaaten wurde die Wiedererrichtung der Schlaraffenreyche nicht gestattet. Man behandelte, wie in der Deutschen Demokratischen Republik, die Schlaraffen so wie die Freimaurer, deren Logen man als Exponenten der Bourgeoisie unterdrückte. Im ehemaligen Deutschen Reiche war es deshalb
nur in der Bundesrepublik und in den Westsektoren von Berlin möglich, die Wiedererstehung der schlaraffischen Reyche zu organisieren. Hinzu trat eine weitere Schwierigkeit: Nach dem Untergang der Allmutter Praga war die Allschlaraffia ihrer Zentrale beraubt, daher war es nur möglich, Landesverbände zu bilden, die das Ziel, wieder eine einheitliche Schlaraffia des Uhu-
versums zu schaffen, stets im Auge behalten haben. Hierbei mußte selbstverständlich Rücksicht auf die Gesetze der einzelnen Länder genommen werden. So gestattet zum Beispiel die Gestzgebung der USA nicht die Unterordnung von Vereinen oder Verbänden unter ausländische Organe.


Im Landesverband Deutschland war der Wiederaufbau in den drei westlichen Zonen und in den Westsektoren von Berlin einigermaßen schwierig. Es mußten die Gesetze und Verordnungen der Besatzungsmächte beachtet werden. Nach und nach gelang es, die alten Reyche wieder ins Leben zu rufen, und manche schöne Neugründung ist in bislang uhufinsteren Orten gelungen.

 
So kam es, dass im Mai 1947 = a. U. 88 zu einer Tagung in Karlsruhe, in der ein „Geschäftsführender Ausschuß der deutschen Schlaraffenreyche“ geschaffen wurde. Diesem Ausschuß gehörten elf neuerstandene schlaraffische Reyche an. 


Der Vorsitz wurde dem früheren Praga-Oberschlaraffen Goschelbauer der Nasenweise (Dozent Dr. Josef Bumba, Landshut) übertragen. Hierdurch wurde eine gewisse Kontinuität zwischen einst und jetzt hergestellt. In Goschelbauer, der ständig wiedergewählt worden ist, hatte der Landesverband Deutschland die richtige Persönlichkeit an seine Spitze gestellt.

Schon in Karlsruhe, bei der ersten Tagung, kam es zu einer Willenskundgebung zum Zusammenschluß aller Schlaraffenverbände des Uhuversums. Ein Jahr später fand die 2. Karlsruher Maiențagung statt. Man erließ eine Geschäftsordnung für den "Geschäftsführenden Ausschuß der deutschen Schlaraffenreyche“ und behandelte ferner das Problem der Flüchtlingsreyche sowie die Schaffung eines Landesverbandes.

 

Während bei der 1. Karlsruher Maientagung den Vorsitz Goschelbauer, Eckart und Aufrecht führten, stand die 2. Maientagung unter der Leitung von Goschelbauer, Störtebeker (Hammonia) und Fest (Monachia). Auf der 3. Karlsruher Maientagung a. U. 90, die auf der Wachenburg bei Weinheim a. d. Bergstraße stattgefunden hat, war das wichtigste Ereignis die Schaffung eines Landesverbandes. Zugrunde gelegt wurde der im Jahre 1938 in Posonium auf dem XIII. Concil geschaffene Spiegel, mit den durch die Zeitverhältnisse bedingten Ausnahmen. Dieser Posonium-Spiegel wurde auf der Wachenburg einstimmig angenommen.


Man schuf wieder ein schlaraffisches Schiedsgericht und erließ Sondervorschriften über die Wahrung des Schlaraffentums, die infolge der Ereignisse, die sich seit 1933 in Deutschland abgespielt hatten, erforderlich geworden waren.


Nunmehr war die Bahn frei zur Abhaltung von Deutschen Schlaraffentagen, deren erster in Mainz im Jahre 1950 getagt hat. Dort wurde ein „Landesverband Schlaraffia in Deutschland e. V.“ gegründet. Drei Jahre später trat in München der II. Deutsche Schlaraffentag zusammen; auf ihm wurde, im Einvernehmen mit den anderen Landesverbänden, der Schaffung einer „Allschlaraffischen Beratungsstelle“ zugestimmt und beschlossen, einen Pflichtbeitrag für den Concils- und Hilfsfond zu erheben. Ein III. Deu
t
scher Schlaraffentag hat Ende Juni 1956 in Hamburg stattgefunden. Während auf der Wachenburg ein „Schlaraffenrat der Schlaraffenreyche in Deutschland“ geschaffen wurde, erfolgte in München die Umbenennung in „Deutscher Schlaraffenrat“.

Wenn nun ein Vergleich gezogen werden soll zwischen den deutschen Schlaraffen-Reychen, wie sie bis 1933 bestanden haben und den heutigen deutschen Schlaraffen-Reychen, so muß dieser zugunsten der letztgenannten ausfallen. Nach den Terror-Jahren ist man, wie jeder beobachten konnte, allseitig bestrebt, die Ziele des Uhubundes vertieft und ideal zu verwirklichen. In vielen deutschen Reychen herrscht ein sehr reges geistiges Leben. Unter sich stehen die deutschen schlaraffischen Vereine in einem regen Verkehr im Gedankenaustausch. Reychsfehden zwischen einzelnen Reychen, die den Charakter des Scherzhaften niemals verlieren, kombinierte Sippungen benachbarter schlaraffischer Reyche stärken das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Sommerfahrten mit Burgfrauen tragen zur Belebung der schlaraffischen Ideale bei, und in den Sippungen sorgt fast in allen Reychen eine gut geleitete Opposition dafür, daß Langeweile während der Zusammenkünfte nicht aufkommen kann. Man kann Goschelbauer nur recht geben, wenn er schon 1949 betonte, das schlaraffische Leben in Deutschland habe nach der unseligen uhufinsteren Zeit eine Intensivierung gewonnen, wie sie wohl kaum jemand hätte voraussehen können. Wie es auf den Kapitän André Soutou der französischen Besatzungsarmee, der viel als Gast in der Wormatia verkehrt hatte (er besaß ausgeprägten Sinn für Humor) gewirkt hat, beweist ein von ihm verfaßter, reich illustrierter Artikel in der Zeitschrift „Realitée Allemande“ Nr. 14 vom Februar 1950. Er hat in seinem Aufsatz dem Uhubund, dessen Bräuche er anschaulich schildert, ein hohes Lob gesungen und bringt am Schluß seiner Ausführungen die Verse:


„Die Welt ist kalt,
wir wollen eng zusammenrücken,
zum Feuer, das uns alle wärmt.“


Es wurden Verhandlungen mit den anderen Landesverbänden, die zunächst von Mann zu Mann, dann von Reych zu Reych und schließlich mit den offiziellen Vertretern der Verbände geführt wurden, aufgenommen. Man hatte sich während der unseligen Zeit des Absolutismus in Deutschland auseinandergelebt und zwangsläufig machte sich aus den profan-politischen Bereichen auch in den Herzen mancher Schlaraffen, vor allem in Amerika und in der Schweiz, eine Mentalität bemerkbar, die nur schwer zu überwinden war, und das bestehende Mißtrauen mußte erst langsam abgebaut werden.


Allmählich aber überwog überall der schlaraffische Idealismus, und so konnte nach der Schaffung eines .„Allschlaraffenrates“ dann kurze Zeit später in feyerlicher Weise zu Gallia Helvetica am 29. Ostermonds a. U. 98 die Konstituierung des "Verbandes Allschlaraffia" erklärt werden.

 

In den Landesverbänden gilt, mit geringfügigen Ausnahmen, der Posonium-Spiegel und das ihm beigefügte Ceremoniale. Im ganzen Uhuversum wetteifern die schlaraffischen Reyche und ihre Mitglieder, um die schlaraffische Trias zu verwirklichen und dem allschlaraffischen Wahl- und Wahrspruch „In arte voluptas“ Geltung zu verschaffen. Auf dem bereits erwähnten III. Deutschen Schlaraffentag, der in Hamburg am 22. und 23. Juni 1956 stattgefunden hat, bekannte man sich allgemein zur Wiedererrichtung der
Allschlaraffia.


Den Beratungen wurden zugrunde gelegt die in Wien beschlossenen „Satzungen des Verbandes Allschlaraffia“. Man beschloß, daß die bis jetzt bestehenden fünf Landesverbände sich zum „Verband Allschlaraffia“ zusammenschließen sollen. Zweck dieses Verbandes solle die Erhaltung und Pflege der schlaraffischen Idee im Sinne des Vermächtnisses des Gründ
ungsreyches Allmutter Praga sein.


III.
Denk- und Wesensart Schlaraffias
Die Mimen des Prager Landestheaters hatten mit der Gründung ihres „Proletarier-Clubs“ im Jahre 1859 zunächst nichts weiter im Auge, als gegen die Überheblichkeit und das Protzentum in der ,Arcadia“ anzukämpfen und sich als ausgelassen-fröhliches Künstlervölklein in der Art eines Stammtisches gesellig zusammenzufinden.


Mit der Umformung und der Gründung der Schlaraffia noch im gleichen Jahre war man bestrebt, dem „Verein“ Sinn, Inhalt und Ideale zu geben, um so einen Frohbund ins Leben zu rufen, in welchem es sich frei und glücklich leben lassen sollte.


Es ist schon an anderer Stelle ausgeführt worden, daß das Wesen Schlaraffias – so gern bzw. böswillig man es ihm auch immer wieder angedichtet hat – mit dem Prasser- und Schlemmerleben des Märchen-Schlaraffenlan des eines Hans Sachs etc. nichts zu tun hat. Es ist vielmehr aus sich heraus entstanden und erst allmählich zu dem Edlen und Erhabenen geworden, mit jener einzigartigen Ausstrahlungskraft, die sich als ein stetig Wachsendes und ein sich von innen heraus in der Welt immer weiter Ausbreitendes erwies.


Was will nun Schlaraffia
Auf einen einfachen und kurzen Nenner gebracht: Schlaraffia will das Dunkle erhellen und das Schwere leichtmachen, das Gute um des Guten willen tun, ohne Rücksicht auf Vorteil oder Lohn und so zum Besitze irdischer Glückseligkeit führen!